Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Pfälzer Perspektiven

Künstlicher Genuss?

Foto: Alex Knight/Unsplash

Wein und KI – also künstliche Intelligenz – war kürzlich das Thema einer Veranstaltung in Neustadt am Weincampus. Unter dem Titel „Projekt Pinot“ forscht dort ein Team zu einer Art „künstlichen Nase“, die künftig fähig sein soll, Weinaromen zu analysieren. Noch sind dafür menschliche Sinne gefragt. Das war der Aufhänger dafür, sich generell damit zu beschäftigen, wie die KI die Weinbranche verändern wird. Zugespitzt stand die Frage im Raum, ob das handwerklich erzeugte Genussprodukt Wein eines Tages technisch perfektioniert aus Roboterweinbergen und -kellern kommen könnte. Ich selbst war Teil der Diskussionsrunde auf der Bühne. Als ich gefragt wurde, ob ich denn angesichts der technischen Möglichkeiten Angst um meinen Job hätte – ich spreche und schreibe über Wein – musste ich rein emotional sagen: „Ja klar!“

Spätestens seit Ende 2022 ChatGPT öffentlich zugänglich wurde, kann sich jeder mit dem Thema KI vertraut machen: Per Chat kann man die KI mit Fragen löchern und ihr Aufgaben geben – mit zum Teil verblüffenden Ergebnissen. Dabei bestimmt KI unser Leben eigentlich schon viel länger. Sie steckt in Navigationssystemen, Internet-Suchmaschinen und Analyseprogrammen. Auch beim Genuss ist sie bereits dabei: Start-ups haben Roboter-Küchen entwickelt, die Speisen zubereiten können. Das Angebot ist noch eingeschränkt, doch die Möglichkeiten sind da. Wenn dann noch der Roboter-Kellner die KI-generierte Pasta serviert, ist das futuristische Restaurant-Erlebnis komplett. Aber ist das echter Genuss?

Dass wir angesichts solch zugespitzter Szenarien erstmal mit Angst und Ablehnung reagieren, ist verständlich – gerade in der Pfalz, wo wir authentische, bodenständige Genusskultur leben. Pfälzer Teller aus Roboterhand? Riesling von KI gemacht? Passt nicht! Und so wird es auch nicht kommen. Denn abseits der extremen Vorstellungen kann die KI genau an den Stellen unterstützen, wo wir sie brauchen: bei Tischreservierungen per Mausklick statt am Telefon, der intelligenten Planung von Zutaten, um Abfälle zu vermeiden, für gesunde Weinberge dank KI-basierter Handlungsempfehlungen. Und ja, (noch) mehr fehlerfreie Weine dank „künstlicher Nase“. Am Ende bleibt so jenen, die Genusserlebnisse schaffen, sogar mehr Zeit fürs Wesentliche.

So fiel auch meine Antwort nach dem ersten, emotionalen „Ja klar!“ versöhnlich aus: Genuss bleibt zutiefst menschlich. Ohne Menschen, die ihn empfinden, kann er nicht existieren. Und deshalb bleibt auch das Erschaffen von Genusserlebnissen menschlich – wenn Technik im Hintergrund passende Unterstützung liefert, wird das Ergebnis vielleicht sogar besser.

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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Radland Pfalz

Einmal quer durch „Radland Pfalz“

„Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“ So hat es Adam Opel einst auf den Punkt gebracht. Wo könnte das besser gelingen als in der Pfalz, dem Paradies für Pedaltreter. Vom Pfälzerwald über die Weinberge bis in die Rheinebene: Eine Fahrt auf dem Drahtesel ist nicht nur nachhaltig, sondern verbindet auch Mobilität mit Naturerlebnis und sportlichem Genuss.

Foto: CC-BY-SA Pfalz Touristik Dominik Ketz
Julian Völk
Julian Völk. Foto: Pfalz Touristik, Fachenbach Medienag.

Er ist begeisterter Renn- und Tourenradfahrer und einer der Menschen, die Hobby und Job miteinander verbinden können: Julian Völk. Als Projektmanager Radtourismus bei der PfalzTouristik in Neustadt an der Weinstraße kümmert er sich aktuell um die Zertifizierung der Pfalz als Radreiseregion. Warum die Pfalz dafür geeignet ist? Völk muss nicht lange überlegen: „Die Pfalz bietet landschaftlich von allem etwas. Man kann auf einer Tour den schattigen Wald, das sonnige Rebenland und die Flussauen in der Rheinebene erkunden. Sowohl Sportbegeisterte mit dem Mountainbike, Rennrad oder Gravelbike als auch Genuss-Biker mit dem Tourenrad finden bei uns die passenden Strecken. Die immer beliebteren E-Bikes erschließen dabei auch Ungeübten den Zugang zur meist hügeligen Topographie.“

Gütesiegel des ADFC im Blick

Die Idee zur Zertifizierung der Pfalz als Radreiseregion sei 2020 entstanden. Völk erklärt: „Mit einem Angebot aus 19 Rundtouren, die sich sternförmig von einem Ort aus befahren oder deren Startpunkte sich mit kurzen Zugfahrten verbinden lassen, wollen wir die Region attraktiv machen für Mehrtagesgäste. Das Gütesiegel des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, kurz ADFC, wird uns dabei mehr Sichtbarkeit und offizielle Anerkennung verschaffen.“ Völk leitet das Zertifizierungsprojekt, das in der ersten Ausbaustufe die Radwegenetze und die dazugehörige Infrastruktur der Landkreise Germersheim, Bad Dürkheim, Südliche Weinstraße und des Rhein-Pfalz-Kreises sowie der drei kreisfreien Städte Speyer, Neustadt an der Weinstraße und Landau umfasst.

Radfahrer in der Pfalz

Radfahrer in der Pfalz

Aus Vision wird Realität

Worauf es dem ADFC bei der Zertifizierung ankommt, beschreibt ein sehr detailliert gefasster Katalog, so der Radtouristik-Experte: „Zu den Vorgaben zählt unter anderem, dass die Routen ungefähr zwischen 25 und 65 Kilometer lang sein sollen. Zudem sollen sie ein klares Thema haben, dem man auf der Strecke immer wieder begegnet. In Planung haben wir etwa eine Storchentour, die an den Nistplätzen in den Queichwiesen und am Storchenzentrum bei Bornheim vorbeiführt.“ Auf dem Weg zur Vorzeige-Radregion ist Koordinationstalent gefragt, da viele Kommunen und Interessengruppen einzubinden und zahlreiche Vorschriften zu beachten sind.

Bestandsaufnahme als Basis

Radwegbeschilderung
STRECKENNETZE Grüne Fahrrad-Symbole kennzeichnen touristische Radrouten. Foto: CC-BY-SA Pfalz Touristik, Dominik Ketz

Zum Start der praktischen Umsetzung wurde 2023 ein Planungsbüro beauftragt: „Das ist Pflicht, wenn man touristische Radrouten nach dem Landesstandard HBR ausschildern möchte.“ Gemeint sind damit die offiziellen Hinweise zur wegweisenden Beschilderung für den Radverkehr in Rheinland-Pfalz – grünes Fahrrad-Symbol auf weißem Grund. Die Fachleute des Planungsbüros haben die vorgesehenen Routen eingangs begutachtet, befahren und dabei alle zu beseitigenden Mängel aufgespürt und dokumentiert. Das können Schäden am Streckenbelag sein oder fehlende Wegweisung an kritischen Stellen. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme hat das Planungsbüro abschließend den Baulastträgern präsentiert – den Ämtern, die für das Streckennetz die bauliche Verantwortung tragen. Das sind je nach Klassifizierung der Wege beziehungsweise Straßen die Ordnungs- und Bauämter der Kommunen oder der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz.

In Runden gedacht

„Aktuell sind die Baulastträger dabei, sich die Mängel anzuschauen und zu prüfen, wie sie damit umgehen. Ebenso werden in dieser Projektphase auch Anspruchsgruppen, etwa Landwirte und Winzer, einbezogen, da die gedachten Touren teils über Wirtschaftswege verlaufen, auf die sie angewiesen sind“, beschreibt Völk das weitere Vorgehen. Sobald die Rückmeldungen aller Baulastträger vorliegen, muss gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle des Streckennetzes noch einmal nachgeschärft werden. „Mein Wunsch ist es, dass wir die Touren im Verlauf der Saison 2025 beschildern und bis Ende nächsten Jahres auch die Erhebungsdaten für den ADFC erfassen und aufbereiten können“, sagt Völk.

Infrastruktur rund ums Rad

Nahezu die Hälfte der Streckenangebote bestehe bereits und werde gemäß dem Themenkonzept neu beschildert. Andere Strecken waren schon nahezu ausgereift und bekommen noch den letzten Feinschliff. Und dann gibt es Touren, die komplett neu ausgewiesen werden sollen. Völk: „Auch hier fangen wir nicht bei Null an, sondern kombinieren bestehende Strecken zu Runden, weil das zeitgemäßer und angenehmer zu fahren ist.“ Doch damit ist das Zertifizierungsvorhaben nicht abgeschlossen. Der zweite Schritt betrifft die Infrastruktur rund ums Rad, etwa Übernachtungsmöglichkeiten mit speziellen Angeboten für Fahrrad-Touristen. „Wir wollen offiziell zum Qualitätsgastgeber werden und uns dafür an einheitlichen Standards orientieren“, betont Völk. Zudem sei es klares Ziel, das Gesamtkonzept auf den Pfälzerwald und das Pfälzer Bergland, also die gesamte Pfalz, auszuweiten.

Paradies fürs Mountainbiken

Stephan Marx
Stephan Marx. Foto: Julia Reichelt

In der Pfalz läuft es nicht nur auf dem Tourenrad rund, sondern ebenso auf dem Mountainbike. Bereits 2005 sind fünf engagierte Verbandsgemeinden – Kaiserslautern-Süd, Lambrecht, Rodalben und Waldfischbach-Burgalben sowie Hochspeyer – den ersten Schritt gegangen, um mit einem offiziellen Streckennetz ein wegweisendes Angebot zu schaffen: den Mountainbikepark (MTB) Pfälzerwald. In zwei Planungsphasen hat der Verein bis heute 20 Touren mit einer Gesamtlänge von rund 900 Kilometern realisiert. Der MTB-Park erstreckt sich von der Westpfalz über Landstuhl, Pirmasens, Hauenstein, das Dahner Felsenland bis nach Annweiler und Bad Bergzabern. Das Angebot richtet sich an alle, die gerne Rundtouren fahren und sich insbesondere dem Fahrtyp „All Mountain“ zugehörig fühlen. Stephan Marx, seit 2015 als Geschäftsführer für Marketing und die Koordination der Vereinsarbeit verantwortlich, weiß um die Bedeutung des Mountainbikens: „Eine Umfrage des Allensbach-Instituts aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, dass es in Deutschland mehr aktive Mountainbiker als Fußballer gibt. Sie organisieren sich jedoch seltener in Vereinen, sind seltener bei Wettbewerben in Ortschaften anzutreffen und dadurch schlicht weniger sichtbar.“

Schwachstellen im Visier

Der Geschäftsführer des MTB-Parks legt viel Wert darauf, dass die Touren attraktiv bleiben. Die ersten Strecken seien fast 20 Jahre alt und würden immer noch gerne gefahren. Man wisse aber, dass sich die Anforderungen an MTB-Touren mit der Zeit ändern. Deshalb sei man aktiv dabei, Schwachstellen zu beseitigen. Marx erklärt: „Das können zu lange Abschnitte mit Schotter sein, die niemand gerne fährt. Hier suchen wir nach Alternativen.“ Zudem gehe es um Teilstücke, die fahrtechnisch sehr anspruchsvoll seien, etwa enge Spitzkehren. In dem Fall würden Umfahrungen geschaffen, die parallel zur Originalstrecke verlaufen. So haben die Mountainbiker dann die Wahl. „Zusätzlich vermeiden wir mit Blick auf einen nachhaltigen Umgang mit der Natur, dass diese schwierigen Passagen zerfahren werden“, ergänzt Marx.

Neue Pfälzerwald-Route

Seit diesem Jahr neu ausgewiesen ist eine Tour, die den gesamten MTB-Park Pfälzerwald einmal von Nord nach Süd durchquert. Die Route „Trans Pfälzerwald“ startet in Hochspeyer und verläuft auf bestehenden Wegen bis nach Bad Bergzabern. „Wir haben auch anspruchsvolle Trails eingebunden, die gemäß der offiziellen Skala als ,S2‘ einzustufen sind, also eine fortgeschrittenere Fahrtechnik erfordern“, betont Marx. Mit gut 90 Kilometern und über 2000 Höhenmetern führt die Tour an vielen Pfälzer Höhepunkten vorbei – so zum Beispiel an der „Weltachs“, dem Luitpoldturm oder der Burgruine Lindelbrunn. Längs der Strecke gibt es Ladestationen für E-Bikes und Einkehrmöglichkeiten. An Start- und Endpunkt ist ein Bahnanschluss vorhanden.

Mountainbiker im Pfälzerwald

Mountainbiker im Pfälzerwald

Mountainbiker im Pfälzerwald

Besucherlenkung an der Haardt

Auch dort, wo der MTB-Park Pfälzerwald endet, ist Mountainbiken ein zentrales Thema. Am gut besuchten Haardtrand, der für viele Outdoor-Begeisterte die erste Anlaufstation in der Pfalz darstellt, ist der Bedarf an Besucherlenkung besonders groß. Das haben die Tourismus-Experten längst erkannt. Gerrit Altes und Denise Seibert von der Tourist-Information Bad Dürkheim sind gerade dabei, erste offizielle Streckenvorschläge für MTB-Touren zu finalisieren. „Der Anstoß kam schon vor Jahren vom Team Pfälzer Land. Die Mitglieder haben Routen ausgearbeitet, bei uns eingereicht und damit den Stein ins Rollen gebracht“, berichtet Altes. Jetzt, wo das neue Wege-Konzept für Wanderbesucher fertig umgesetzt sei, könne man sich endlich auf die Angebote für Mountainbiker konzentrieren.

Strecken-Perlenschnur

Denise Seibert
Denise Seibert. Foto: Stadt Bad Dürkheim/melhubach

Vision von Altes ist, dass nicht nur bei Bad Dürkheim einzelne Strecken entstehen. Altes setzt sich dafür ein, dass im Schulterschluss mit weiteren Tourismusbüros, Kommunen und Kreisen ein Streckennetz erschlossen wird, das sich wie eine Perlenschnur von Grünstadt bis nach Maikammer am Haardtrand entlang ziehen soll. „So können wir Mountainbiker auch mehrere Tage begeistern und fördern damit Übernachtungs- statt nur Tagestourismus. Denn ersterer hat vom Verhältnis zwischen Anreise und Aufenthaltsdauer eine wesentlich günstigere Öko-Bilanz als der Tagestourismus“, unterstreicht Altes. Das Streckenprojekt für Bad Dürkheim koordiniert Denise Seibert. „Gedacht sind zwei Strecken mit einer Gesamtlänge von rund 60 Kilometern, die direkt im Ort starten und sich miteinander kombinieren lassen. Bei der Streckenbeschaffenheit liegt der Fokus nicht allein auf dem Genuss-Biken. Wir haben ,All Mountain‘ und ,Enduro‘ im Blick“, beschreibt sie das Projekt. Es werde „technisch anspruchsvolle Abschnitte ebenso geben wie flowige Passagen, aber alles in die natürlichen Gegebenheiten eingebettet “.

Befahrung als Praxistest

Gerrit Altes
Gerrit Altes. Foto: Stadt Bad Dürkheim/melhubach

Die theoretische Planung ist bereits so weit gediehen, dass es nun an die Abstimmung der Strecken mit allen Partnern gehen kann. „Felix Meermann vom Team Pfälzer Land hat attraktive und gleichzeitig unseren Vorgaben entsprechende Streckenentwürfe geliefert, die dank tatkräftiger Unterstützung durch Marcel Kämmer von der Kreisverwaltung bereits ins Geoinformationssystem GIS eingearbeitet sind“, sagt Gerrit Altes. „Mit beiden haben wir uns auch intensiv beraten – etwa, was das Pro und Contra von Überschneidungen mit Wanderwegen und die Wegeführung durch Schutzgebiete betrifft.“ Als nächstes ist eine Befahrung geplant, um alles in der Praxis zu begutachten und gegebenenfalls den letzten Feinschliff vorzunehmen, was die touristische Beurteilung angeht. Dann werde das Feedback vom zuständigen Forstamt und der Unteren Naturschutzbehörde eingeholt. „Wenn beide ihr Okay geben, ist bestätigt, dass die Streckenvorschläge grundsätzlich umsetzbar sind. Dann holen wir im nächsten Schritt das Feedback sowie die Erlaubnis von Jagdpächtern und Waldeigentümern ein“, ergänzt Altes. Er hofft, dass diese Abstimmungsrunde noch in 2024 erfolgt. Dann könne 2025 der Ausbau beginnen und alles zur Saison 2026 startklar sein.

„Wasi“: Legende seit über 30 Jahren

Am anderen Ende des Pfälzerwalds, in Lemberg in der Südwestpfalz, ist ein echter Mountainbike-Klassiker zu Hause. Der Wasgau-Bike-Marathon, liebevoll „Wasi“ genannt, besteht seit 30 Jahren und war seinerzeit die erste Marathon-Veranstaltung in der Pfalz. Einer der Väter des „Wasi“ ist Klaus Emser. Er tauschte bereits Ende der 1980er-Jahre, als der MTB-Trend aus Amerika herüberschwappte, Rennrad gegen Mountainbike. „Ich war einer der ersten MTB-Verrückten, die mit den damals angesagten neonfarbenen Sportoutfits im Wald unterwegs waren. Wir galten als die jungen Wilden“, erinnert er sich. Das Gute an der Südwestpfalz sei, damals wie heute: Hier könne man in einigen stillen Ecken bis zu 50, 60 Kilometer durch den Wald fahren, ohne einer Menschenseele zu begegnen.

Wasi Start
„WASI“-LEGENDE Der Wasgau-Bike-Marathon ist ein Klassiker mit großer Anziehungskraft. Auch das Team des SV Lemberg (rechts) ist mit Spaß dabei. Fotos: immedia.info
Team des SV Lemberg

Schilder aus Pappe und Karton

Klaus Emser
Klaus Emser.
Foto: privat

In diesen Zeiten der Aufbruchsstimmung engagierte sich Emser im Sportverein Lemberg. Anfangs organisierte man, wie andere Vereine auch, regelmäßig kleinere Events rund um Lemberg mit 80 bis 100 Teilnehmern. Die erste Welle der Begeisterung ebbte aber schnell ab und das Format „Mountainbike-Marathon“ begann sich zu etablieren. „Mir war klar, das müssen wir auch machen. Bereits 1993 haben wir den ersten Marathon mit einer Strecke von rund 90 Kilometern ausgeschrieben. Wir hatten direkt 280 Teilnehmer“, blickt Emser zurück. Allerdings sei die Organisation anfangs noch nicht sehr ausgereift gewesen. Jede Menge Herzblut habe dies aber ausgeglichen. „Mit Schildern aus Pappe und Karton, die wir mit Schnüren an Ästen festgeknotet hatten, wurde die Strecke durch den Wald markiert“, ergänzt der Mountainbike-Fan mit einem Schmunzeln.

Ein kleiner Ort steht Kopf

Für Emser stand danach fest: „Hier kann und muss etwas bewegt werden.“ Die Idee, den Marathon als „Freundschaftstour mit Profis“ ohne Zeitnahme zu organisieren, entstand. Radweltmeister Mike Kluge, der in der Nachbarschaft von Emsers Familie im Geburtsort Denzlingen bei Freiburg wohnte, unterstützte ihn bei der Gewinnung von Sponsoren. Zudem vernetzte er ihn mit weiteren Radprofis, wie Hanka Kupfernagel, Marcus Klausmann, Udo Bölts und Karl Platt. Sie alle und viele andere bekannte Radsportler sind über die Jahre beim Wasi gestartet. „Im besten Jahr hatten wir mehr als 1700 Starter, das war eigentlich zu viel für uns beziehungsweise die Infrastruktur vor Ort in Lemberg. Die Halle, die wir für die Veranstaltung nutzten, platzte aus allen Nähten“, so Emser. Über die Jahre habe sich auch eine echte „Wasi“-Familie gebildet. Gut erinnert er sich Emser etwa an einen Teilnehmer, der ihm seinen 21-jährigen Sohn vorstellte, der bereits zum zehnten Mal mit ihm gestartet war. Mit diesem Schwung ging es einige Jahre weiter, doch letztlich trennten sich die Wege von Emser, SV Lemberg und Wasgau-Bike Marathon nach 23 Jahren.

Mountainbiker im Pfälzerwald
FAHRSPASS Das Konzept eines Wettbewerbs ohne Zeitnahme erfreut sich beim Wasgau-Bike-Marathon nach wie vor großer Beliebtheit. Foto: immedia.info

Saisonabschluss in Lemberg

Dem Mountainbiken ist Emser trotzdem bis heute treu geblieben. Gästen in seiner Ferienwohnung zeigt er als Tourenguide gerne die schönsten Trails seiner Wahlheimat. Auch den Mountainbike-Klassiker des SV Lemberg gibt es noch. Weiterhin füllen jährlich am zweiten Oktoberwochenende mehr als 1000 Teilnehmer den Ort. Das Konzept ohne Zeitnahme kommt nach wie vor an. Zudem können die Teilnehmer zwischen drei Touren unterschiedlicher Länge wählen, die jedes Jahr neu geplant werden. Der Verein richtet die Veranstaltung gemeinsam mit Journalist und TV-Moderator Markus Appelmann aus. „Dieses Jahr feiern wir den Jubiläums-Wasi. Es macht schon etwas stolz, am ältesten Mountainbike-Klassiker Deutschlands mitwirken zu dürfen und so Geschichte zu schreiben“, sagt Emser, ein gebürtig Südwestpfälzer. Über 40.000 Teilnehmer sind bislang beim „Wasi“ gestartet. Eine Pfälzer Erfolgsgeschichte der besonderen Art.

Autozentriert war gestern

Julia Bingeser
Julia Bingeser. Foto: Stadtverwaltung Kaiserslautern

Das Fahrrad ist nicht nur ein gefragtes Sport- und Freizeitgerät, es kommt auch im Pfälzer Alltag zum Einsatz. Was tun Städte dafür, Raum für diese nachhaltige Form der Mobilität zu schaffen? In Kaiserslautern ist Julia Bingeser als Radverkehrsbeauftragte dafür zuständig, dass der Radverkehr in der Stadtentwicklung mitgedacht wird. Das lebt sie auch selbst vor, indem sie jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Sie kennt all die Herausforderungen, die Radverkehrsentwicklung mit sich bringt: „Wir haben uns über Jahrzehnte hinweg ein sehr autozentriertes Denken angewöhnt. Aber wir sehen zunehmend die Nachteile. Autoverkehr braucht viel Platz, verursacht Lärm und Luftverschmutzung und sorgt für Überhitzung. Generell, so glaube ich, kommt heutzutage keine Kommune, keine kommunale Gebietskörperschaft mehr am Thema nachhaltige Mobilität vorbei.“ Wenn es gelinge, den Umweltverbund – das sind alle klimafreundlichen Verkehrsmittel von Bus und Bahn bis Fahrrad und Fußverkehr – so attraktiv zu machen, dass alle, die umsteigen könnten, dies auch tun, sei das Ziel erreicht.

Radverkehr bekommt Vorfahrt

Gerade bei mittleren Strecken von drei bis zehn Kilometern mache sich das Fahrrad, das sich zudem mit öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren lasse, bezahlt. Dafür muss das Alltagsradeln, so Bingeser, allerdings zunächst – etwa mit durchgängigen Radwegen – noch stärker gefördert werden. Bei den Bürgern steige der Stellenwert des Radverkehrs, wie nicht zuletzt der Zuspruch bei der Aktion „Stadtradeln“ zeige. „Kaiserslautern beteiligt sich seit 2009. Damals waren es nur 275 Teilnehmende, vergangenes Jahr schon rund 1500“, berichtet Bingeser. Die Radverkehrsbeauftragte verfolgt verschiedene Strategien, um die Infrastruktur für den Radverkehr im Stadtgebiet zu stärken. Ein Großprojekt ist die Fahrradstraße „von Park zu Park“, die in Kaiserslautern eine Verbindung zwischen Stadtpark und Volkspark schaffen soll. Ein weiteres Großprojekt ist die Radroute „Bachbahn“, die als Pendlerstrecke auf der ehemaligen Bahntrasse zwischen Weilerbach und Otterbach geplant ist.

Visualisierung Fahrradstraße
VORFAHRT Radverkehr rückt vielerorts in den Fokus – so auch in Kaiserslautern. Die künftige Fahrradstraße „von Park zu Park“ visualisiert das Foto links. An der Trippstadter Straße (rechts) steht nun ein Radstreifen zur Verfügung. Fotos/Visualisierung: Stadt Kaiserslautern
Radweg

Groß und Klein kombinieren

Großprojekte binden nicht nur personelle und finanzielle Ressourcen, sondern benötigen durch Planfeststellungsverfahren auch viel Zeit. „Dadurch dauert es oft lange, bis Veränderungen sichtbar werden“, merkt die Radverkehrsbeauftragte an und ergänzt: „Aus diesem Grund bringen wir uns parallel auch in laufende Stadtentwicklungsprojekte ein und gehen kurzfristig umsetzbare Maßnahmen an, die schnell für Fortschritt sorgen.“ Beispiele: das Ummarkieren von Parkplätzen, die Radfahrer behindern, oder die Sanierung von Fahrbahndecken, wo sie sich dafür einsetzt, dass der Radverkehr mitgedacht wird. Nicht zuletzt gibt es Projekte, die vom Land Rheinland-Pfalz angestoßen werden. So sind mehrere Pendler-Routen in der Planung beziehungsweise Umsetzung. Eine davon wird Kaiserslautern und Landstuhl verbinden. Seit 2023 liegt eine Machbarkeitsstudie dafür vor. Inzwischen sind die bevorzugten Trassen für den Schnellweg definiert.

Radfahrer auf Fahrradweg
SCHWUNG Koordinierte Projekte sollen Alltagsradlern, Radtouristen und Breitensportlern Nutzen bringen. Foto: CC-BY Pfalz Touristik, Fachenbach Medienagentur

Gemeinsam mehr erreichen

Zusätzlichen Schwung für die Radverkehrsentwicklung erhofft sich Bingeser auch von der Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußverkehrsfreundlicher Kommunen (AGFFK) in Rheinland-Pfalz. Vergangenes Jahr hat sie die Gründung federführend vorangetrieben. Mittlerweile ist der offizielle Startschuss gefallen und ein Koblenzer Büro mit dem temporären Betrieb der Geschäftsstelle beauftragt. „Derartige Arbeitsgemeinschaften gibt es in allen Bundesländern. Sie vernetzen die Mitglieder zu einer Interessenvertretung für den Fuß- und Radverkehr, sorgen für Erfahrungsaustausch und Weiterbildung. Bei uns in der Pfalz zählen bereits sechs von acht Landkreisen, sieben von acht kreisfreien Städten sowie jeweils fünf kreisangehörige Städte und Verbandsgemeinden zu den Mitgliedern. Gemeinsam haben wir eine stärkere Stimme“, betont Bingeser. All diese Entwicklungen – einmal quer durchs „Radland Pfalz“ – zeigen: Radfahren und die Pfalz, das passt gut zusammen. Alltagsradler, Radtouristen oder Breitensportler: Alle können auf ihre Kosten kommen.

Der Tourenplaner

Tourenplaner

Auf ihrer Website hat die Pfalz.Touristik (Foto: CC-BY-SA Pfalz Touristik, Dominik Ketz) zahlreiche Informationen rund ums Radfahren zusammengestellt. Die Bandbreite reicht von geführten Radtouren bis zum Radurlaub. Tourentipps – sortiert nach Kategorien von Familie bis Sportlich – gibt es im Bereich Radwege, der auch zum Tourenplaner Rheinland-Pfalz führt.

Das VielPfalz Extra Radfahren

Titel VielPfalz Extra


Es geht durch die Rheinebene, entlang der Deutschen Weinstraße, durch Pfälzerwald und Pfälzer Bergland sowie zum Donnersberg: 25 ausgewählte Tourenvorschläge präsentiert die VielPfalz-Extra-Ausgabe Radfahren. Zu jeder Tour gibt es die wichtigsten Eckdaten zur Route, An- und Abreise, Empfehlungen zu Einkehr und Sehenswürdigkeiten. Informative Beiträge liefern noch dazu Tipps und Tricks, damit die Ausfahrten für alle genussreich werden. Nicht zuletzt wird erklärt, warum es mit Rücksicht besser rollt. 132 Seiten, 14,90 Euro, erhältlich in unserem Online-Shop.

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Radland Pfalz

Höllischer Spaß

Trailparks erweitern das Mountainbike-Angebot in der Pfalz. Hier kommen die Downhill-Liebhaber auf ihre Kosten. Ein Beispiel aus Spirkelbach.

André Rehm. Foto: Julia Reichelt

Besucherlenkung ist nicht nur bei Mountainbike-Touren, sondern auch bei Downhill-Trails gefragt. Offizielle Trailparks entstehen derzeit an vielen Stellen im Pfälzerwald. Ein Beispiel: Im April 2024 sind in Spirkelbach (Landkreis Südwestpfalz) die ersten beiden „Höllenberg Trails“ eingeweiht worden.

Angebot wird erweitert

Betreiber ist der SV Spirkelbach. Nachdem der Verein vor zwei Jahren mit den „Trailkids“ ein Mountainbike-Trainingsangebot speziell für Kinder und Heranwachsende gestartet hatte, wurde das Angebot bald erweitert. „Wir brauchen offizielle Trails mit direktem Zugang vom Sportplatz, die wir zum Üben von Fahrtechnik und Geschicklichkeit nutzen können. Also macht es Sinn, dass wir dort etwas bauen“, erklärt André Rehm, der die mittlerweile rund 20 Trailkids betreut. Rehm stieß die nötigen Genehmigungsverfahren an, trieb den Austausch mit allen Anspruchsgruppen voran, trieb Fördermittel sowie Spenden ein und kümmerte sich um die Beschilderung.

Trails werden begeistert aufgenommen

Im Februar war dann Muskelkraft gefragt: Der Verein hatte unter fachlicher Anleitung eines professionellen Trailbauers den ersten Bauabschnitt erschlossen. Beim Formen der Trails kamen dabei nur Materialien zum Einsatz, die der Wald beziehungsweise der Waldboden hergaben. Die Höllenberg Trails wurden von Anfang an begeistert angenommen. „Die Trailskids lieben die Strecken und haben selbst schon kleine Verbesserungen vorgenommen“, freut sich Rehm.

Mountainbiker auf der Strecke
Mountainbiker auf der Strecke
Fotos: SV Spirkelbach/Stefan Hinnersmään

Mountainbikepark Pfälzerwald profitiert

Zusätzlich nutzt der Verein die Downhill-Pfade, um MTB-Rennen und den MTB-Marathon, die er jährlich mit der Höllenberg Trail-Trophy anbietet, noch attraktiver zu machen. Auch der Mountainbikepark Pfälzerwald profitiert vom neuen Angebot: Die Höllenberg Trails schließen an die MTB-Park-Touren 8 und 11 an, die an Spirkelbach vorbeiführen.

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Radland Pfalz

Den Radprofis auf der Spur

Die Final-Etappe der Deutschland Tour führt 2024 durch den Pfälzerwald. Udo Bölts erklärt, warum die Region ein Paradies für Radsportler ist.

Foto: Deutschland Tour/Marcel Hilger
Udo Bölts
Udo Bölts Foto: Privat

Die Radsport-Elite gibt sich bei der Deutschland Tour ein Stelldichein. Seit der Neuauflage im Jahr 2018 ist die Tour nicht nur das einzige Etappen-Rennen in Deutschland, sondern auch ein Radsportfestival mit Angeboten für Breiten- und Nachwuchssportler. Dieses Jahr wird beim Radsport-Klassiker vom 21. bis 25. August in die Pedale getreten. Aus Pfälzer Sicht kommt das Beste zum Schluss: Die Final-Etappe startet am Sonntag, 25. August, in Annweiler.
Unterhalb des Trifels gehen die Fahrer zur 172 Kilometer langen Etappe nach Saarbrücken auf die Strecke. Udo Bölts, einer der erfolgreichsten deutschen Straßenfahrer und gebürtiger Pfälzer aus Heltersberg (Landkreis Südwestpfalz), hat bei der Planung der Strecke mitgewirkt. Bölts, der immer noch viel mit dem Rennrad in seiner Heimat unterwegs ist, kennt schließlich alle anspruchsvollen Strecken ganz genau. „Natürlich wird die letzte Tour-Etappe über die Kalmit führen – das ist schon so etwas wie ein kleiner Kultberg bei den Radrennfahrern“, erläutert Bölts. Der zweite prägnante Anstieg folgt nur wenig später, noch im ersten Streckendrittel: Vom Elmsteiner Tal geht es den Iggelbacher Stich hinaus bis nach Johanniskreuz.

Radsport mit Genuss verbinden

Weitere Strecken-Tipps von Bölts, die unabhängig von der Tour alle Rennradfahrer lieben: Die Fahrt aus dem Wellbachtal hinauf nach Hermersbergerhof oder die kleinen Anstiege am Haardtrand zum Forsthaus Heldenstein, zur Lindemannsruhe oder über die Totenkopfstraße zur gleichnamigen Hütte. „Das sind alles Strecken, die Rennradfahrern ein Begriff sind. Und dort bieten sich am Wochenende auch jeweils Möglichkeiten für eine schöne Einkehr“, erzählt Bölts. Was das Rennradfahren in der Pfalz aus seiner Sicht sonst noch auszeichnet: Auf den Strecken gebe es noch verhältnismäßig wenig Verkehr. Dank des großen Radius, den man sich mit dem Rennrad in kurzer Zeit erschließe, könne man sogar bis nach Frankreich rüberfahren. „Ein Espresso und dazu ein Eclair in Bitche oder Wissembourg sind schon lecker“, schwärmt Bölts. So lässt sich Radsport mit Genuss verbinden.

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Rosen-Reise

Geliebtes Symbol der Liebe

Blütenzierde, Heilpflanze und mehr: Die Rose gilt seit Jahrtausenden als Königin der Blumen. Auch in der Pfalz hält sie vielerorts Hof – in Gärten, Parks und Weinbergen. Wir nehmen Sie mit auf eine inspirierende Reise vom Rhein über die Weinstraße bis nach Zweibrücken.

Foto: Tintin Do Nguyen/Unsplash

Sie ist so vieles auf einmal: Zierde von Gärten und Landschaften, Heilpflanze, Grundlage edler Parfüms, Gegenstand in Religion, Dichtung, Malerei und Musik. Aber allem voran und fast überall dient die Rose als Symbol der Liebe. Das war im antiken Griechenland so, wo Aphrodite als Göttin der Liebe und Schöpferin der Rose angesehen wurde, und gilt noch heute. Auf ihrem langen Weg durch die Geschichte hat die Königin der Blumen auch in die Pfalz gefunden. Sie hält im bezaubernden Rosengarten von Zweibrücken ebenso Hof wie im neu gestalteten Rosengarten des Ebertparks in Ludwigshafen. Sie ist in vielen privaten Gärten das Elixier von Hobbygärtnern. Und sie verschönt viele Rebzeilen entlang der Weinstraße.

Hagebutten
Foto: Marwool/Unsplash
Rose
KÖNIGIN DER BLUMEN Die Rose ziert Parks und Gärten, ist Heilpflanze und betört mit ihrem ganz besonderen Duft. Foto: Hans/Pixabay
Rosenöl
Foto: Iffanay/Pixabay

Rosenkranz zeigt Symbolkraft

Die „Ur-Rose“ soll als Wildrose schon vor mehr als 25 Millionen Jahren geblüht haben, was fossile Funde zeigen. Heute gibt es etwa 30.000 Rosensorten. Im Handel sind etwa 13.000 Sorten, mehr als die Hälfte davon sind Schnittrosen, die nicht als Gartenpflanzen zu kaufen sind. Im antiken Griechenland wurden Wildrosen und gefüllt blühende Rosen ebenso verehrt wie im alten Rom. Die christliche Mariendichtung und die mittelalterliche Malerei brachten die Rose mit der Marienverehrung zusammen. Auch der im 11. Jahrhundert populär gewordene Rosenkranz verkörpert die Symbolkraft dieser Blume.

Medizinische Allzweckwaffe

Im Mittelalter kamen ganz praktische Aspekte hinzu: Die Strauchrose „Gallica Officinalis“ wurde in vielen Klöstern Europas als „Apothekerrose“ kultiviert, um daraus eine medizinische Allzweckwaffe zu machen. Ihre Blütenblätter, die Hagebutten und Hagebuttensamen sowie die Wurzelrinde fanden wechselweise Einsatz gegen Entzündungen an Mund, Augen und Ohren, zur Stärkung des Herzens, zur Förderung der Verdauung sowie zur Linderung von Kopf-, Zahn- und Magenschmerzen. Der intensive Duft dieser historischen Rose legt es nahe, aus ihren Blütenblättern auch Parfüme und andere kosmetische Produkte zu machen. Diese historische Rosensorte ist heute noch erhältlich.

Getrocknete Rosen
BLUME MIT SYMBOLKRAFT Im antiken Griechenland wurden Wildrosen und gefüllt blühende Rosen ebenso verehrt wie im alten Rom. Foto: Hypatie/Pixabay

Rosenzucht wirft Fragen auf

Eine systematische Rosenzucht entwickelte sich in Deutschland erst im frühen 19. Jahrhundert. Zuvor war entdeckt worden, dass sich Rosen durch die geschlechtliche Vereinigung von Blütenstaub und Stempel vermehren. Dazu kam die Einführung der mehrmals blühenden Teerosen. In Holland war zudem die Züchtung der „Zentifolien“ gelungen, stark duftende Rosen mit üppig gefüllten Blüten. Mit der Vielfalt an Rosen stellten sich zwei Fragen: Wie lässt sich die Entwicklung der Rose als Kulturpflanze in geordnete Bahnen bringen? Welche Orte eignen sich zur Bepflanzung?

Gestaltete Zimmer im Freien

Antworten auf die erste Frage gab der 1883 gegründete Verein Deutscher Rosenfreunde (heute Deutsche Rosengesellschaft) mit zahlreichen lokalen Gruppen. Und die Frage nach geeigneten Standorten für Rosen klärte sich durch die Verbreitung eines neuen Gartentyps, der sich mit dem Jugendstil durchsetzte: dem gestalteten Zimmer im Freien, eingerichtet mit Lauben und Pergolen, an denen sich Kletterrosen emporranken konnten. Außerdem gab es bald erste Rosarien und Rosengärten, in denen die Vielfalt der Rosen kultiviert und präsentiert wurden. Das älteste Rosarium mit der heute noch weltweit bedeutendsten Rosensammlung wurde 1903 in der Berg- und Rosenstadt Sangerhausen im Südharz eingerichtet. Dort wuchsen bereits in den Gründungsjahren 2000 verschiedene Rosensorten.

Rosengarten Zweibrücken
Rosengarten Zweibrücken
FARBENPRACHT Im Rosengarten Zweibrücken blühen rund 45.000 Rosen in 1500 Sorten. Fotos: Rosengarten Zweibrücken

Zweibrücker Rosenvielfalt

Am 20. Juni 1914 eröffnete Prinzessin Hildegard von Bayern den Rosengarten in Zweibrücken zunächst als Rosarium. Schon von Beginn an blühten hier mehr als 42.000 Rosen. Die Initiative dazu kam vom zwei Jahre zuvor gegründeten Verein Pfälzischer Rosenfreund“. In mittlerweile 110 Jahren ist in Zweibrücken der drittgrößte Rosengarten Deutschlands entstanden, der weit mehr als eine reine Rosensammlung darstellt. In einem 4,5 Hektar großen Landschaftspark mit See, Picknickwiese, Bäumen und Gehölzen blühen heute – umgeben von Staudenpflanzen, Sträuchern und Gräsern – rund 45.000 Rosen in 1500 Sorten. Die Palette reicht von Hochstammrosen, Kletterrosen, Strauchrosen über Zwerg-rosen, Beetrosen, Edelrosen und Kleinstrauchrosen bis zu historischen Rosen und Duftrosen.

Breiter Raum für die Natur

Heiko Hübscher
Heiko Hübscher Foto: RosenGarten Zweibrücken

Im Zweibrücker Rosengarten stehen immer auch Rosen im Mittelpunkt, die in heimischen Gärten ohne große Mühen wachsen und blühen. Im Neuheitengarten werden Jahr für Jahr internationale Züchtungen präsentiert. Bei der Wahl der „Rose des Jahres“ ist neben Kriterien wie robuster Gesundheit, geringem Pflegeaufwand und schönem Aussehen ein „hoher Gartenwert“ besonders wichtig. Heiko Hübscher, seit 2001 im Rosengarten Zweibrücken tätig und seit 2011 gärtnerischer Leiter, ist es wichtig, der Natur in ihrer Vielfältigkeit möglichst breiten Raum zu geben und Künstlichkeit weitgehend zu vermeiden. Schon 2005, als er die Gesamtverantwortung für die Pflanzen des Gartens übernahm, begann Hübscher damit, überall im Gartengelände auf Pestizide zu verzichten. In Deutschland fand er dafür keine Vorbilder, weshalb er sich an biobetriebenen Gärten in Österreich orientierte. Im Jahr 2009 war die Umstellung abgeschlossen.

Konzept der Vielseitigkeit

Als weiteren wichtigen Entwicklungsaspekt des Gartens beschreibt Hübscher die Rückbesinnung auf das zwischenzeitlich verloren gegangene Konzept der Vielseitigkeit, wie es der vormalige Leiter Oskar Scheerer in den 1950er-Jahren umgesetzt hatte. Mit Hübscher und seinem Team kehrte das Kombinieren von Rosen mit anderen Pflanzen zurück. Dem Garten wurden so Natürlichkeit und Biodiversität zurückgegeben. Bei der Gestaltung ist es den Gärtnern in Zweibrücken auch wichtig, Rosen und Begleitpflanzen mit Robustheit auszuwählen. Dazu Heiko Hübscher: „Wir wollten weg von der Verzärtelung und dem Artifiziellen. Unsere Bepflanzung sollte mehr Widerstandskraft gegenüber Witterung und Schädlingen haben. Heute sind neben Aspekten der Ästhetik und des Dufts vor allem Robustheit, Krankheitsresistenz und Haltbarkeit der Rosenblüten wichtige Züchtungsziele. Dem tragen wir mit unserer Arbeit Rechnung. Wobei man die Rosen hinsichtlich zunehmender Trockenheit und Sommerhitze sogar als ‚Klimagewinner‘ bezeichnen kann, da sie sehr tief wurzeln und kein allzu häufiges Gießen erforderlich ist.“

Beliebtes Open-Air-Wohnzimmer

Der neue alte Rosengarten zieht jährlich mehr als 110.000 Besucher an. Im Jahr 2019 wurde er von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz als „einzigartiges und herausragendes Beispiel der Gartenkunst der 50er- und 60er Jahre“ unter Denkmalschutz gestellt. Wer hier Einzigartigkeiten und Superlative sucht, wird rasch fündig. So gehören zum Beispiel viele der Rosenstöcke zu den ältesten, seltensten und prachtvollsten Rosenarten auf der ganzen Welt. Darunter auch die schwarze, die blaue und die grüne Rose. Regelmäßige Veranstaltungen tragen ihren Teil dazu bei, den Rosengarten zu einem Open-Air-Wohnzimmer für Zweibrücken und die ganze Region zu machen. Schnittkurse, Rosen- und Gartenmärkte oder das jährlich im Juni stattfindende „Fest der 1000 Lichter“ tragen ihren Teil dazu bei.

Rosengarten Zweibrücken
Rosengarten Zweibrücken
VIEL ZU ENTDECKEN Mit 4,5 Hektar Fläche ist der Zweibrücker Rosengarten der drittgrößte Deutschlands. Fotos: Rosengarten Zweibrücken
Rosengarten Zweibrücken

Das Rosendorf Schmitshausen

Nur 16 Kilometer trennen Zweibrücken vom Dörfchen Schmitshausen (Landkreis Südwestpfalz). Der Nähe zu Zweibrücken verdankt das Dorf auf der Sickinger Höhe auch seinen besonderen Status als „erstes offizielles Rosendorf Deutschlands“. Zu dieser Ehre kam es in den 1960er Jahren durch den Dorfschulleiter Hans Erich Henkes und den damaligen Zweibrücker Gartenamtsleiter Oskar Scheerer. Henkes engagierte sich mit großem Enthusiasmus für die Dorfverschönerung im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Oskar Scheerer hatte den Verein Deutscher Rosenfreunde als dessen Vorsitzender auf Schmitshausen aufmerksam gemacht. Durch seinen Einfluss kam es zur Spende von 10.000 Rosen, die in öffentlichen Anlagen und privaten Gärten gepflanzt wurden. 1966 zum Rosendorf gekürt und 1967 mit einer Goldmedaille bei „Unser Dorf soll schöner werden“ geehrt, war man in der Westpfalz mächtig stolz. In der Ortsmitte gibt es seither einen Oskar-Scheerer-Platz als lauschigen, rosenumrankten Ort zum Verweilen. Dazu kam 1998/99 ein Rosengärtchen am Friedhof, das vom Josef Raff, dem ehemaligen Gartendirektor der Insel Mainau, im Stil eines Klostergartens angelegt wurde. Leider ist diese Anlage inzwischen nicht mehr im besten Zustand. Hier fehlt es wie vielerorts an ehrenamtlichen Helfern, die sich zuverlässig um die Pflege der Rosen kümmern.

„Lebendiger Garten“ im Ebertpark

Ebertpark Ludwigshafen
IM WANDEL Auch im Ludwigshafener Ebertpark hat man das Prinzip der „Sammlungs-Schau“ durch das des „lebendigen Gartens“ abgelöst. Foto: Ebertpark Ludwigshafen/Harald Sauer

Nach dem Motto „Durch Verändern Bewahren!“ wird der Ebertpark, der im Jahr 2025 seinen 100. Geburtstag feiert, seit 2005 kontinuierlich umgestaltet. Vor dem Hintergrund des Klimawandels werden auf der Gesamtfläche von 24 Hektar Pflanzzonen mit verschiedenen Schwerpunkten angelegt. Durch verstärkten Einsatz mehrjähriger Pflanzen, die gut mit Trockenheit zurechtkommen, lassen sich zum einen Kosten für den Einkauf und die Bewässerung senken. Zum anderen werden so Biodiversität und Artenvielfalt gesteigert. Die Neubepflanzung des Rosengartens im nördlichen Teil des Parks folgt den Plänen von Chefgärtner Harald Sauer. Der rund 2000 Quadratmeter große Kernbereich des alten Rosengartens erhielt durch Säulen eine Art Pergola-Struktur. Den Rosen wurden Stauden, Ziergräser und Gehölze zugesellt. Sitz- und Verweilmöglichkeiten sowie eine kleine Bühne ergänzen das Ambiente. So hat man auch im Ludwigshafener Rosengarten das Prinzip der „Sammlungs-Schau“ durch das Prinzip des „lebendigen Gartens“ abgelöst.

Typisch Pfalz: Rosen und Wein

An vielen Wingertzeilen der Weinstraße blühen im Sommer Hunderte von Rosen. Das ist kein Zufall, denn die Rosen dienen als „Indikatorpflanzen“. Sie wachsen unter ähnlichen Bedingungen wie Rebstöcke und sind empfindlicher gegenüber Krankheiten. Es sollen Mönche im Burgund gewesen sein, die Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten, dass Rosen in der Nähe von Weinstöcken einen Mehltaubefall lange vor den Reben zeigten. Mit dieser Frühwarnung konnten Winzer noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen und ihre Rebstöcke retten. Inzwischen hat sich die Krankheits- und Schädlings- bekämpfung bei Reben weiterentwickelt. Dennoch werden am Ende vieler Wingertzeilen weiter Rosen gepflanzt und gepflegt. Sie verschönern das Landschaftsbild, schützen durch ihr tiefreichendes Wurzelwerk die Weinberge vor Erosion und sorgen gleichzeitig für eine höhere Biodiversität.

Rosen zum Dorfjubiläum

Rosen in Gimmeldingen
AUGENWEIDE In Gimmeldingen haben viele Winzer am Ende jeder zweiten Rebzeile Rosen gepflanzt. Foto: Reinhard Kermann

Gimmeldingen ist für seine frühe und üppige Mandelblüte bekannt, aber auch in den Sommermonaten, wenn die Rosen blühen, ist hier ein Spaziergang über Wingertwege eine Augenweide. Viele Winzer haben am Ende jeder zweiten Rebzeile Rosen gepflanzt. Peter Stolleis, Vorsitzender des Weinbauvereins Gimmeldingen, hatte rechtzeitig zum Dorfjubiläum „900 Jahre Gimmeldingen“ die Idee, 900 Rosen in den Weinbergen zu pflanzen, die alle im Jubiläumsjahr 2009 blühen sollten. Die Winzer waren begeistert und nahmen die Pflanzung vor. In den Folgejahren kamen noch weitere 1100 Rosen dazu. Auch im jetzt beginnenden Sommer sollen wieder Pflanzungen stattfinden, vor allem dort, wo neue Weinberge angelegt wurden oder abgestorbene Pflanzen zu ersetzen sind. Viele der älteren Rosenstöcke sind ausladend herangewachsen und begrüßen jetzt im Juni alle Spaziergänger in üppiger Blüte.

Der „Rosengarten“-Wanderweg

Keschdebuschfest in Kapellen-Drusweiler
STIMMUNGSVOLL In Kapelle-Drusweiler lädt ein vier Kilometer langer Rundweg zum Flanieren ein. Dort wird auch das „Keschdebuschfest“ gefeiert. Foto: Zeinhorn Haggag

Mehr als 400 Strauchrosen säumen die Wingertzeilen der Weinlage „Rosengarten“ im südpfälzischen Kapellen-Drusweiler bei Bad Bergzabern. Hier stehen auf einem vier Kilometer langen Rundweg die Rosen am Rande und im Mittelpunkt zugleich. Sie bilden von Juni bis in den Oktober in allen Farben und verschiedensten Sorten ein stimmungsvolles Spalier. Rosenbögen und Sitzbänke hat die Gemeinde erstellt, die Rosen selbst wurden zunächst von Winzern gesetzt. Für Nachpflanzungen sorgte ebenfalls die Gemeinde Kapellen-Drusweiler. Der Rosengarten-Wanderweg wurde 2006 eingeweiht und legte 2008 zusammen mit der Dornröschen-Krönung in Dörrenbach und dem damals neu etablierten Rosenmarkt in Bad Bergzabern den Grundstein für die „Rosenwochen im Bad Bergzaberner Land“. Sie wurden 2011 aus der Taufe gehoben. Mittlerweile gibt es bei dieser jährlich von Mitte Mai bis Mitte Juni durchgeführten Veranstaltungsreihe viele Einzelevents, die sich immer um die Königin der Blumen drehen.

Für eine blühende Zukunft

Rosen in Dierbach
BEZAUBERNDE ZIERDE In Dierbach heißen hunderte Rosenstöcke Besucher willkommen. Foto: Privat

Doch damit nicht genug: Seit 2018/19 forciert der Landkreis Südliche Weinstraße die Rosenkultur durch eine Aktion, bei der er den Gemeinden kostenlos Rosen zur Bepflanzung von Weinbergen zur Verfügung stellt. Ohne solche Hilfestellungen hat man es in dem kleinen Dorf Dierbach – ebenfalls Ortsteil der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern – erreicht, die nördliche Orteinfahrt mit vielen Rosen zu verschönern. Wer hier ankommt, wird von mehr als 600 Rosenstöcken links und rechts des Straßenrandes begrüßt. Dieses schöne „Willkommen“ ist einer Initiative von Dierbachs Altbürgermeister und Ehrenbürger Gerhard Rinck zu verdanken. Rosen sind aber nicht nur eine bezaubernde Zierde, sondern erfordern regelmäßiges Kümmern. Sie wollen mehrmals im Jahr geschnitten, angebunden, gemulcht und gedüngt werden. Verblühtes ist auszuschneiden, Unkraut zu rupfen. Wenn dazu kein städtisches Gartenamt zur Verfügung steht, heißt es „Freiwillige vor!“. Nicht überall ist dabei das ehrenamtliche Engagement so ausgeprägt wie beim „Rosengarten“-Wanderweg in Kapellen-Drusweiler. Ein derzeit achtköpfiges Team kümmert sich hier in vielen freiwilligen Arbeitsstunden um die Rosen. Vielleicht ein Beispiel dafür, wie die Königin der Blumen auch anderswo in der Pfalz in eine blühende Zukunft geführt werden kann.

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Rosen-Reise

Ein Leben mit der Rose

Vom Umgang mit einem Sonnenkind: Praktische Tipps und Informationen rund um die blühende Schönheit. Ein Interview mit dem Gärtnermeister Holger Enger aus Neustadt-Haardt.

Foto: Norman Krauß

Schon als 15-Jähriger hat er gerne beim Schnittrosenverkauf seines Onkels mitgearbeitet. Mit 18 wechselte er den Fokus von der Schnittrose auf die Gartenrose. Heute ist er 55, schon lange Gärtnermeister und noch länger seiner Lieblingsblume treu. Wir treffen Holger Enger an einem der ersten Frühlingstage in Neustadt-Haardt am Sulzwiesenweg. Dort stehen in einer 3000 Quadratmeter großen Freianlage Hochstammrosen, Edelrosen und Kletterrosen in Reih und Glied. Zu den 70 Rosenarten, die hier heranwachsen, kommen Begleitpflanzen wie Stauden und Ziergräser dazu. Helmuth Bischoff hat dem Meister Fragen zur Rose gestellt.

Worauf muss man besonders achten, wenn man seinen Garten mit ein paar Rosen bereichern will?

Zunächst sollten Sie sich entscheiden, welche Sorten Sie am liebsten in Ihrem Garten sehen würden. Sollen es zum Beispiel Edelrosen sein, die man auch „Teehybriden“ nennt, weil sie im 19. Jahrhundert aus chinesischen Teerosen und europäischen Rosen gekreuzt wurden? Oder haben Sie einen schönen Platz für Strauchrosen? Kommen Kletterrosen infrage oder eher Bodendeckerrosen? Die Auswahl trifft man am besten, wenn man schaut, welche Sorten zu vorhandenen Standorten passen. Dabei ist dringend daran zu denken, dass die Rose ein Sonnenkind ist. Ein halber Tag Sonne reicht, aber weniger sollte es nicht sein. Nordlagen sind auszuschließen.

Welchen Boden brauchen Rosen?

Sie bevorzugen einen durchlässigen, gut belüfteten Boden. Er muss so beschaffen sein, dass kein Wasser stehen bleibt. Man kann die Bodenstruktur vor dem Pflanzen mit Kompost verbessern.

Wie gestaltet sich die Pflege von Rosen im Jahreslauf?

Forsythien sind Zeigerpflanzen für das Ende des Hochwinters. Wenn sie blühen, ist es Zeit für den ersten Rosenschnitt. Das ist in der Regel Ende Februar oder Anfang März. Zumeist wird geraten, Rosen zweimal im Jahr zu düngen, Ende März und im Juni. Ich verwöhne meine Rosen mit einem dritten Düngen nach der ersten Blüte, dem ersten „Rosenflor“. Nach der ersten Blüte im Juni und Juli erfolgt auch der Rückschnitt. Rosen können pro Jahr dreimal zur Blüte kommen.

Wie und wo kann man sich als Laie zum Thema Rosen weiterbilden?

Der Rosengarten in Zweibrücken bietet dazu einiges an. Zunächst würde ich aber empfehlen, nach Literatur zu schauen. Auch die regionalen Freundeskreise der Deutschen Rosengesellschaft sind gute Anlaufstellen für Information und Beratung.

Gibt es eine besondere Verbindung der Pfalz zur Rose?

Nein, die gibt es nicht. Außer vielleicht durch die Namen von ein paar Rosensorten. So gibt es die „Fritz-Walter-Rose“, die „Helmut-Kohl-Rose“ oder die Rose „Ludwigshafen am Rhein“. Klar, man könnte die Wingertrosen als typisch pfälzische Sache beschreiben. Das wäre aber übertrieben, weil Wingertrosen überall dort gepflanzt werden, wo es Wein gibt.

Was gehört zu den verbreiteten Irrtümern in Bezug aus Rosen?

Dass Rosen Dornen haben. Im botanischen Sinn ist es korrekt, von „Stacheln“ zu sprechen. Bei den Kakteengewächsen sind es „Dornen“ und keine Stacheln. Ein Dorn ist nämlich laut biologischer Systematik ein Teil der Pflanze selbst, wie ein Zweig oder Blatt, während Stacheln zur Hülle, der Epidermis oder der Rinde eines Gewächses gehören.

Wer Holger Enger und sein Rosenfeld kennenlernen möchte, hat dazu von März bis Oktober samstags von 8 bis 12 Uhr Gelegenheit. Adresse: Eckstraße 24, 67433 Neustadt-Haardt, Telefon 0151 15778184.

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Heckrinder & Co.

Landschaftspfleger auf vier Beinen

Wein- und Ackerbau sind in der Pfalz weit verbreitet, deutlich weniger landwirtschaftliche Betriebe legen den Schwerpunkt jedoch auf Viehhaltung. So gehören weidende Rinderherden ohnehin nicht überall zum gewohnten Bild. Und dort, wo Wiederkäuer über die Wiesen streifen, sehen sie nicht unbedingt so aus, wie man Rinder allgemein kennt. Die teils außergewöhnlichen Rassen erfüllen eine wichtige Aufgabe: Sie dienen dem Naturschutz.

Foto: Julia Köller

Seelenruhig stapft ein Rind durch den vom tagelangen Regen aufgeweichten Boden, um das frische Gras zu fressen. Dass es Beobachter hat, scheint das Tier kein bisschen zu stören. Die Weide endet unmittelbar vor dem Außengelände der Grillhütte in St. Martin. Dort beginnt auch der Auerochsenweg, auf dem man rund 4,5 Kilometer um das 44 Hektar große Gehege oberhalb des Sandwiesenweihers wandern kann. Ein Auerochse ist das massive Rind mit den beeindruckend langen Hörnern freilich nicht. Diese Rasse gilt seit 400 Jahren als ausgestorben. Bei der Kuh und ihren Artgenossen handelt es sich um Heckrinder – eine sogenannte Abbildzüchtung. Die Brüder Heinz und Lutz Heck haben in den 1920er Jahren durch Kreuzung verschiedener Rinderrassen den Auerochsen gewissermaßen wiederauferstehen lassen.

Die idealen Landschaftspfleger

In der Pfalz sind die Tiere allerdings mehr als nur eine zoologische Attraktion. Sie arbeiten ganz offiziell für den Naturschutz, denn sie erledigen eine wichtige Aufgabe: Indem sie einfach das tun, was Rinder am liebsten tun – fressen und umherwandern – sind sie die idealen Landschaftspfleger. „Ohne sie würde die ganze Fläche verbuschen“, sagt Peter Hiery, auf dessen Initiative hin die Heckrinder seinerzeit nach St. Martin kamen. Der 68-Jährige, der 30 Jahre lang dem Verbandsgemeinderat angehörte, kümmert sich ehrenamtlich um die der Gemeinde St. Martin gehörenden Herde, die seit 2011 kostenintensive Pflegearbeiten auf den Wiesen unnötig macht. Kümmern bedeutet dabei vor allem, nach dem Rechten zu schauen.

Für Besucher gilt: Füttern verboten!

Es gehört zum Konzept des Beweidungsprojekts, dass die Menschen nicht mit Futter oder Medikamenten eingreifen. Lediglich um die Tiere so zu konditionieren, dass sie sich in Notsituationen von Hiery anlocken lassen, bringt er ihnen immer wieder etwas mit. Für Besucher und Wanderer gilt jedoch ausdrücklich: füttern verboten! Alles, was die Heckrinder brauchen, finden sie in ihrem Gehege. Dass das zum Teil bewaldet ist, entspricht dabei laut dem Experten ihrer Natur. „Rinder sind ursprünglich Waldbewohner“, klärt Peter Hiery auf. Und so wechseln die derzeit acht Tiere – Leitkuh Sahneschnut, die Kühe Funny und Dickhorn, die Kälber Romeo, Charly und Hannah sowie die Bullen Gino und Carlos – ganz nach Lust und Laune zwischen Wald und Wiese.

Biodiversität verdreifacht

„Wir wollen die Biodiversität erhöhen“, erläutert Peter Hiery das zweite große Ziel neben dem Offenhalten der Fläche. Was bereits erreicht wurde, belegen wissenschaftliche Untersuchungen verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen, die das Projekt dauerhaft begleiten. Nachdem zu Beginn der Nullzustand erfasst und kartiert worden sei, habe man bereits fast eine Verdreifachung der Biodiversität festgestellt, freut sich der Kümmerer. Waren es 2011 neun Dungkäferarten, tummelten sich drei Jahre später bereits 26 Arten auf der Fläche. Auch die Blauflügelige Ödlandschrecke sei inzwischen im Gehege heimisch, so Hiery. „Das ist ein Zeigertier. Wenn sie in einem Magergebiet vorkommt, sind die Naturschützer und der Förster zufrieden.“ Auch eine Fledermausstube sei das Gelände seit dem Einzug der Herde geworden. Und neue Pflanzenarten hätten sich ebenfalls angesiedelt.

Heckrinder auf der Weide
BEWEIDUNG Die Heckrinder müssen nur fressen und Kuhfladen hinterlassen. Sie kamen auf Initiative von Peter Hiery, hier mit einer Besuchergruppe, nach St. Martin. Fotos: Julia Köller
Peter Hiery bei einer Führung

Tiere wissen sich selbst zu helfen

Die Heckrinder müssen nur fressen und ihre Kuhfladen überall hinterlassen. „Sie verteilen den Samen gleichmäßig und kultivieren den Boden“, fasst Hiery die Vorteile der genügsamen Landschaftspfleger zusammen. Zudem selektieren sie die Bäume und schaffen eine halboffene, lichtdurchflutete Landschaft ganz nach den Wünschen der Naturschützer. „Der einzige Nachteil ist, dass sie Kastanien schälen“, merkt Hiery an. Aber mit diesem kleinen Makel können alle Beteiligten gut leben. Ansonsten bringen die Rinder offenbar nur Vorteile mit sich. So sind sie äußerst robust und können im Winter sogar Temperaturen bis minus 28 Grad Celsius aushalten. Anfällig für Krankheiten sind sie ebenfalls nicht und wissen sich selbst zu helfen. „Sie nutzen Pflanzen als Apotheke“, erklärt Peter Hiery, der auch regelmäßig Führungen anbietet.

Wanderer müssen Abstand halten

Wanderer, die auf dem Rundweg auch ein Stück durch das Gehege gehen müssen, lassen die ausgeglichenen Tiere in Frieden ziehen. Allerdings sei es wichtig, dabei gewisse Regeln zu beachten und Abstand zu halten, mahnt der Fachmann: „Man darf den Weg nicht verlassen, keinen Hund mit ins Gehege nehmen und keine Selfies mit den Tieren machen.“ Als Fleischlieferanten dienen die Auerochsen-Abbilder in St. Martin jedoch nicht. „Wir möchten eigentlich kein Tier schlachten“, betont Hiery. Deshalb kommen überzählige Rinder in der Regel in andere Herden.

Ein Hauch amerikanischer Prärie

Anders sieht es bei einer Rinderrasse aus, bei deren Anblick in der Pfalz sich so mancher vermutlich verwundert die Augen reibt: In Schweighofen und Kapsweyer weiden Bisons und verbreiten einen Hauch amerikanischer Prärie. Ihr Fleisch ist eine echte Rarität und noch dazu sehr schmackhaft und von hoher Qualität. „Es ist wahnsinnig zart und hat fast überhaupt kein Fett und Cholesterin“, schwärmt Diplom-Agraringenieur Thomas Kieffer, dem die Tiere gehören. Zugleich sind aber auch diese Rinder ausgezeichnete Landschaftspfleger. Seit März 2022 setzen sie mit ihrem Appetit und ihrem Bewegungsdrang eine Maßnahme des Naturschutzgroßprojekts Bienwald um: die halboffene Weidenutzung.

Der Bestand muss reguliert werden

Für Pächter Kieffer kam das Projekt gelegen, da sein ältester Sohn schon einige Jahre zuvor die Idee hatte, zusätzlich zur Rasse Charolais auch Bisons zu halten. Den Verantwortlichen hätten ursprünglich Wisente vorgeschwebt, erinnert sich Thomas Kieffer. Doch es gebe einige Argumente dagegen. „Der Wisent ist ein Angriffstier“, nennt der 48-Jährige eines davon. Der Bison dagegen sei ein Fluchttier, sodass von ihm geringere Gefahr ausgehe. Auch die Tierbeschaffung sei bei Wisenten schwierig, da sie kaum gezüchtet würden. Und sie seien geschützt, was die Schlachtung ausschließe. „Es war aber von Anfang an klar, dass der Bestand reguliert werden muss, und dass wir auch Fleisch verkaufen wollen“, sagt der Landwirt. Allerdings werden immer nur einzelne Tiere geschlachtet, die zu diesem Zeitpunkt etwa drei Jahre alt sind. Der Aufwand für das Schlachten ist sehr hoch, denn es erfolgt per Weideschuss durch einen Jäger. Ein Metzger und ein Veterinär müssen dazu ebenfalls auf die Weide kommen. Entsprechend teuer ist ein Bisonsteak, Braten oder Filet.

Bisons im Schnee
Foto: privat
Thomas Kieffer
GRANDIOSER ANBLICK Die rund 30 Tiere umfassende Bisonherde von Thomas Kieffer streift bei WInd und Wetter auf dem weitläufigen Gelände bei Schweighofen umher. Foto: Julia Köller

„Fast etwas Meditatives“

Die Herde befindet sich derzeit noch im Aufbau. Rund 30 Tiere streifen auf dem weitläufigen Gelände in Schweighofen umher. „Es ist faszinierend, sie zu beobachten“, sagt Thomas Kieffer. „Sie sind total ruhig und relaxed. Es hat fast etwas Meditatives.“ Erst recht, weil die Bisons kaum ein Geräusch von sich geben. Und wenn sie sich doch mal äußern, ist es kein Muhen. „Es ist eher ein Grunzen“, erklärt der Schweighofener. Wenn er sie ruft, kommen sie angelaufen und machen dabei immer mal wieder kleine Sprünge. 60 bis 70 Stundenkilometer können die wuchtigen Tiere laut ihrem Besitzer erreichen.

Die Leitkuh ist die Chefin

Ebenso wie Peter Hiery es bei den Heckrindern macht, lockt auch Kieffer seine Bisons mit trockenem Brot an, um sie zu konditionieren. Und auch ihm ist es sehr wichtig, dass Spaziergänger die Tiere auf keinen Fall füttern. So friedlich die Bisons die meiste Zeit auch sind, beim Thema Nahrung verstehen sie keinen Spaß. „Der Futterneid ist groß“, berichtet Kieffer. Und tatsächlich setzen einige Exemplare ihre breite Stirn ein, um Konkurrenten von den Brötchen wegzuscheuchen. „Die Bullen haben nichts zu sagen“, klärt der Landwirt auf. „Die Leitkuh ist die Chefin.“ Dennoch ist das Konfliktpotenzial zwischen den Bullen größer, weshalb die männlichen Jungtiere auf die zweite Weide in Kapsweyer gebracht werden.

Auch Störche fühlen sich hier wohl

Auch wenn die Bisons noch nicht so lange als Landschaftspfleger arbeiten, wurde durch ihre extensive Weidehaltung schon einiges erreicht. Insekten, Frösche, Störche und Reiher fühlten sich in dem Gehege wohl, berichtet Kieffer. Auch Rehe habe er schon innerhalb des Zauns gesehen, fügt er hinzu. Wie sie dort hineingelangen konnten, sei ihm jedoch ein Rätsel.

Dank der Robustheit perfekt geeignet

Während die Bisons Wildtiere sind und es auch bleiben sollen, gehören die ursprünglich aus Schottland stammenden Galloways zu den Hausrindrassen. Doch auch sie eignen sich dank ihrer Robustheit perfekt dafür, ganzjährig im Freien gehalten und zur Landschaftspflege eingesetzt zu werden. In dieser Funktion sind sie auch in verschiedenen Orten bei Annweiler am Trifels im Einsatz. Vor 34 Jahren hat Andrea Burkard in Völkersweiler damit begonnen, ihren Betrieb aufzubauen. Zwischenzeitlich umfassten die Herden ihrer Galloway-Zucht „Am Adelberg“ 140 Tiere. Aktuell sind es um die 100.

Andrea Burkard mit ihren  Galloways
PURE IDYLLE Die Herden der Galloway-Zucht „Am Adelberg“ umfassten zwischenzeitlich rund 140 Tiere. Aktuell sind es um die 100. Foto: Julia Köller

Anblick ist pure Idylle

„Ich habe Landespflege studiert mit Schwerpunkt Natur- und Artenschutz“, sagt die 57-Jährige. Thema ihrer Diplomarbeit sei der Einsatz von Nutztierrassen in der Landschaftspflege gewesen. Als sie dann nach einigen Jahren im Biotopmanagement den Entschluss fasste, selbst Tiere zu halten, war es demnach logisch, dass es dabei nicht nur um die Fleischproduktion gehen sollte. Zwei Mutterkuhherden mit je einem Deckbullen, eine Jungbullen-Herde und eine mit Altkühen und jungen weiblichen Tieren, die noch nicht gedeckt werden sollen, weiden auf Flächen bei Völkersweiler, Wernersberg, Annweiler, Rinnthal und Lug. Ihr Anblick ist pure Idylle, denn Galloways sehen mit ihrem zotteligen Fell nicht nur kuschelig aus, sie sind auch von ihrem Wesen her gelassen und friedfertig.

Regionalität im Mittelpunkt

Für Andrea Burkard gilt das Prinzip: Regionalität von der Geburt bis zu den Verarbeitungsprozessen. Fast alle ihre Tiere gehen auf die ersten Muttertiere zurück. Nur die Bullen muss die Züchterin zukaufen. Die etwa 30 bis 40 Kälber pro Jahr bleiben bis zum Abnabelungsprozess bei den Kühen. Und zumindest die Kühe erreichen ein hohes Alter, das ihrer natürlichen Lebenserwartung entspricht. Wenn sie Bullen schlachten lässt, fährt Andrea Burkard sie dafür zum nahegelegenen Bio-Betrieb Bärenbrunnerhof, um den Tieren Stress und weite Wege zu ersparen. Das Fleisch wird zu 80 Prozent direkt im Verkauf ab Hof vermarktet, der Rest geht an Naturkost- und Hofläden. Und das Interesse sei gleichbleibend groß. „Rund 90 Prozent sind Stammkunden“, freut sich Burkard.

Orchideen breiten sich wieder aus

Mindestens ebenso wichtig wie der gut laufende Betrieb ist Burkard der ökologische Nutzen ihrer Herden. „90 Prozent unserer Flächen sind naturschutzwürdig“, sagt sie. Doch viele Arten, darunter Orchideen und Kräuter, die auf der Roten Liste stehen, seien seinerzeit durch die Nutzungsaufgabe zurückgegangen. Durch die Galloways konnte dieser Prozess umgekehrt werden. Wissenschaftlich dokumentiert wird die Entwicklung der Artenvielfalt durch Burkards Bruder Oliver Röller, der Biologe und Gründer des Instituts für Naturkunde in Südwestdeutschland ist. Die Bilanz kann sich sehen lassen: „Wir haben viele Orchideen, die durch die Offenhaltung und extensive Beweidung erhalten werden und sich ausbreiten. Wir haben einen unglaublichen Insektenreichtum und damit einhergehend viele Vögel, auch Rote-Listen-Arten wie den Neuntöter“, zählt die Landwirtin einige Beispiele auf.

Glandrinder stark gefährdet

In Kirrweiler hält der gelernte Landwirt Frank Riesterer derweil einige Rinder, deren Rasse selbst als stark gefährdet auf der Roten Liste steht. Das Glanrind war früher vor allem in Rheinland-Pfalz verbreitet. Anfang der 1980er Jahre galt es als fast ausgestorben. Heute sind wieder rund 2000 Tiere erfasst. Riesterer, der hauptberuflich bei der Deichmeisterei in Speyer arbeitet, kam vor etwa 25 Jahren zu den Rindern. Damals, noch gemeinsam mit einem Partner, begann er, die traditionelle Hausrindrasse zu züchten und so zu bewahren. „Es ist eine Dreinutzungsrasse – Arbeit, Fleisch und Milch“, erklärt der 57-Jährige. „Sie eignen sich sehr gut zur Mutterkuhhaltung. Sie kümmern sich gut um ihr Kalb und sind vom Futter her nicht so anspruchsvoll“, führt Riesterer aus. Letzteres sei auch der Grund, warum man sie gut in der Landschaftspflege einsetzen könne.

Tiere mit individuellen Charakteren

Aktuell sieben Tiere umfasst die kleine Herde, die Riesterer auf einem Gelände mit angrenzendem Laufstall hält. Dort weiden die Tiere eine Wiese ab, die als Kaltluftabzug der Weinberge dient. Im Winter muss er allerdings mit Heu und Getreide von seinen eigenen Flächen füttern, ebenso wenn die Weide witterungsbedingt zu wenig hergebe. Da sie genau wissen, dass es sich lohnen kann, kommen die hell- bis dunkelgelben Rinder sofort angelaufen, wenn sich ihr Besitzer nähert. „Das Glanrind an sich ist eine umgängliche Rasse“, weiß dieser. Doch die Tiere hätten sehr unterschiedliche Charaktere und bekämen auch mal „ihre fünf Minuten“. Was das bedeuten kann, zeigt der Bulle, als er mangels Konkurrent kurzerhand mit einem dicken Baumstamm rangelt.

Glanrinder auf der Weide
UMGÄNGLICHE RASSE Frank Riesterer züchtet seit etwa 25 Jahren Glanrinder. Fotos: Julia Köller
Frank Riesterer

Kleine Attraktion für Spaziergänger

Drei bis vier Tiere lässt Riesterer pro Jahr bei der Landfleischerei in Busenberg schlachten. Rund 360 Kilo Schlachtgewicht erreiche so ein Bulle, sagt der Nebenerwerbslandwirt. Das Fleisch vermarkten er und seine Frau direkt. Die Milch der Kühe bleibt ganz den Kälbern überlassen. Die Herde darf ansonsten einfach ihr Leben im beschaulichen Kirrweiler genießen. Und als kleine Attraktion herhalten, denn direkt an der Weide führen Spazierwege vorbei, die gerne und viel genutzt werden.

Vorteile sprechen sich herum

So wie in Kirrweiler gibt es in einigen Orten in der Pfalz vierbeinige Bewohner zu entdecken, die man vielleicht dort nicht erwarten würde. Denn auch wenn die Region eher für Wein oder auch Gemüse bekannt ist, haben sich die Vorteile von Rindern als Landschaftspfleger herumgesprochen. Neben den Heckrindern, Bisons, Galloways und Glanrindern finden sich noch weitere nicht alltägliche Rassen. So beweiden etwa Wasserbüffel unwegsames Gelände in Erlenbach bei Dahn oder im Hornbachtal. Auch schottische Highlandrinder sind in der Pfalz im Einsatz, beispielsweise in Limburgerhof. Es kann sich also durchaus lohnen, mit offenen Augen durch die Landschaft zu gehen.

Peter Hiery bietet regelmäßig Führungen zum Thema Heckrinder an. Informationen im Internet, per E-Mail an tourismus@sankt-martin.de, unter Telefon 06323 5300 oder bei Peter Hiery unter 0170 2404804. Ob aktuell Bisonfleisch vorrätig ist, ist ebenfalls im Netz zu erfahren. Dort finden sich auch weitere Informationen zu den Galloways.

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Pfälzer Museumstour

Schätze des Alltags

Ein praktischer Gegenstand mit einer interessanten Geschichte, ein konzentrierter Blick auf das Leben in vergangener Zeit und ein Buch, das für viele fest in ihren Alltag gehört. Viele Museen in der Pfalz legen den Fokus auf Dinge, die einen konkreten Bezug zum Leben der Menschen haben. So führt die Museumstour dieses Mal zum Ziegeleimuseum in Jockgrim, ins Puppenstubenmuseum in Jakobsweiler und in das Bibelmuseum in Neustadt.

Fotos: Julia Köller
Mehrere Ziegel auf einem Ständer im Museum
RELIKTE DER VERGANGENHEIT In Jockrim findet sich eine Auswahl verschiedenster Ziegel.

In der Ortsgemeinde Jockgrim stand einst eine der weltweit größten Ziegeleien. Die Falzziegelwerke Carl Ludowici waren 1896 vollständig von Ludwigshafen in die neu errichteten Fabrikgebäude gezogen und galten mit einer Jahresproduktion von etwa 24 Millionen Ziegeln als Marktführer in Europa. Bis in die 1970er- Jahre war die Ziegelei in Betrieb, ehe ein Brand große Teile der Werke zerstörte. Das restaurierte Pressehaus der Ziegelei steht heute noch und beherbergt seit 1996 das Ziegeleimuseum, in dem die Geschichte der Ziegelherstellung in Jockgrim dokumentiert ist. Ein Blickfang ist das Backsteingebäude auch von außen, denn das Dach ist mit farbigen Ziegeln in einem auffälligen Muster gedeckt und somit selbst ein Aushängeschild der ehemaligen Fabrik. Eine Auswahl verschiedenster Ziegel findet sich zudem im Innern des Museums, denn sie können sowohl in Form als auch in der Farbe stark variieren.

Revolverpresse läuft heute noch

Sabine Baumann
Sabine Baumann


Eine Besonderheit der Firma der Familie Ludowici ist der damals einzigartige Falzziegel Z1, den sich sein Erfinder Wilhelm Ludowici, Sohn des Firmengründers, 1881 patentieren ließ. Auch die Revolverpresse, mit der sich die Ziegel einfacher und schneller fertigen ließen, war seine Erfindung. Ein im Museum ausgestelltes Exemplar lässt sich sogar noch in Gang setzen. „Die Ludowicis sind wegen der guten Tonqualität hierher gekommen“, weiß die scheidende Ortsbürgermeisterin Sabine Baumann, die während ihrer Amtszeit für das Museum zuständig war. Für die Gemeinde war die Fabrik als Arbeitgeber wichtig, auch wenn es in der Bevölkerung unterschiedliche Ansichten dazu gegeben habe. „Heute sind wir froh über die Ziegelei und zeigen sie auch gern“, so Baumann.

Ringofen ist vollständig begehbar

Ringofen im Ziegelmuseum
BESONDERER HÖHEPUNKT Der begehbare Ringofen ist zu großen Teilen erhalten.

Das Museum widmet sich unter anderem der Darstellung des Herstellungsprozesses, die mit dem Holzmodell beginnt und mit dem fertigen Ziegel endet. Ein Höhepunkt ist dabei der noch zu großen Teilen erhaltene Ringofen, der vollständig begehbar ist. „Die Brenntemperatur betrug bis zu 1150 Grad Celsius“, erklärt die 60-Jährige. „Die Ziegel waren zuvor in der oberen Etage vorgetrocknet worden.“ Von der Seite des ovalen Ofens wurden die Ziegel ausgetauscht, im Gang brannte das Feuer. Beispielhaft sind noch einige Ziegel so aufgeschichtet, wie es damals praktiziert wurde.

Ein Ingenieur mit vielen Ideen

Heute befindet sich über dem Ringofen die Verwaltung der Verbandsgemeinde, in deren Neubau das alte Gemäuer integriert wurde. Da die Zugänge zum Ofen vom Eingangsbereich aus sichtbar sind, bekommen alle Besucher des Bürgerhauses einen Einblick in die Geschichte des Ortes. Zu dieser Geschichte zählen aber neben den Ziegeln auch verschiedene Erfindungen von Johann Wilhelm Ludowici, der die Fabrik ab 1923 leitete. Der Ingenieur hatte viele Ideen, die mal mehr und mal weniger Beachtung fanden. Das „Dachhaus“ etwa, von dem ein Modell im Museum ausgestellt ist, habe sich nicht durchsetzen können, berichtet Sabine Baumann.

Von Jockgrim bis nach London

Historische Aufnahme eines Kugelhauses auf der Themse in London
WEIT GEREIST Das Kugelhaus, eine der Erfindungen von Johann Wilhelm Ludowici, wurde 1958 in London auf der Themse transportiert.

Für mehr Aufsehen sorgte da schon das so genannte Kugelhaus, das der findige Unternehmer entwarf. Gedacht war es als leicht transportierbares und platzsparendes Zwei-Personen-Haus, das aufgrund seiner runden Form kein Fundament benötigt. Bei einem Durchmesser von 4,50 Metern enthielt es voll ausgestattet alles, was man zum Wohnen braucht: Küche, Essplatz, Wohn-Schlafzimmer und ein kleines Bad. Die Erfindung aus Jockgrim fand weltweit Beachtung. So zeigen Bilder etwa, wie eines der Kugelhäuser 1958 auf der Themse in London transportiert wurde. Ludowici habe sich ganze Siedlungen mit diesen Häusern vorgestellt. „Es kam aber nie über einen Prototypen hinaus“, so Baumann. Zumindest auf seinem Platz vor dem Museum lässt sich das Raumwunder aber auch heute noch bestaunen.

Lebenswelten im Kleinformat

Während das Kugelhaus schon als klein bezeichnet werden kann, sind die Wohnräume, die in Jakobsweiler ein Museum füllen, geradezu winzig. Das passt gut, denn auch das Gebäude selbst ist nicht sonderlich groß, da es sich um das frühere Milchhäuschen der Ortsgemeinde im Donnersbergkreis handelt. Seit 2001 beherbergt es das Puppenstubenmuseum, das auf knapp 40 Quadratmetern Exponate aus den 1930er- und 1950er-Jahren sowie wechselnde Sonderausstellungen zeigt.

Puppenstube im Museum
Puppenstube im Museum
KLEIN, ABER FEIN Das Puppenstubenmuseum in Jakobsweiler zeigt Exponate aus den 1930er- und 1950er-Jahren sowie wechselnde Sonderausstellungen.

Viel mehr als nur altes Spielzeug

Die liebevoll in Glasvitrinen arrangierten Miniatur-Lebenswelten sind viel mehr als nur altes Kinderspielzeug. Sie sind ein Abbild des damaligen Lebensstils und Lebensgefühls und vermitteln durch einzelne Accessoires auch einen Einblick in historische Zusammenhänge. „Es ist ein Stück Zeitgeschichte“, betont Rosemarie Hahn, die als 1. Vorsitzende des Fördervereins Puppenstubenmuseum für das Museum verantwortlich ist. So stehe etwa in mehreren Wohnzimmern aus den 1930er-Jahren der sogenannte Volksempfänger – ein preiswertes Rundfunkgerät, das im „Dritten Reich“ entwickelt wurde, damit möglichst jeder Einwohner die Propagandareden empfangen konnte.

Schlafzimmer einer Puppenstube
EINBLICKE Bei der Einrichtung der Puppenstuben wurde großer Wert darauf gelegt, dass sämtliche Details in die jeweilige Zeit passen.
Küche einer Puppenstube

Lyrikerin weckt Sammelleidenschaft

Dem Zweiten Weltkrieg ist es denn auch geschuldet, dass sich bei den Exponaten eine Lücke auftut. „In den 1940er-Jahren gab es nicht so viele Puppenstuben“, sagt Hahn. Die 75-Jährige selbst hat dem Museum zahlreiche Exponate aus den 1930er- Jahren zur Verfügung gestellt. Mit der Sammelleidenschaft infiziert worden sei sie von der Lyrikerin Susanne Faschon, die in Jakobsweiler ein Ferienhaus besaß und Puppenstuben aus dem 19. Jahrhundert sowie bis 1920 gesammelt habe. Faschons Schwester Ingeborg Michno, die ebenfalls bis zu ihrem Tod in Jakobsweiler lebte, habe sich derweil auf Exemplare aus den 1950er-Jahren konzentriert. „Ich habe dann das gesammelt, was gefehlt hat“, erzählt Hahn schmunzelnd. Auch Ingeborg Michno brachte ihre Puppenstuben in das Museum ein und arbeitete selbst lange Zeit im Museumsteam mit. Von ihrer Schwester Susanne Faschon konnte zumindest ein Exemplar für die Ausstellung gesichert werden – ein Wohn-Esszimmer aus den 1920er-Jahren mit originalgetreu nachgebauten Möbeln des elterlichen Zimmers.

Details passen in die jeweilige Zeit

Bei der Einrichtung der Puppenstuben wurde darauf geachtet, dass jedes Detail in die jeweilige Zeit passt – von der Tapete über die Möbel und Dekoration bis hin zur mit Püppchen dargestellten Szene. So sieht man in Küchen aus den 1930er-Jahren, wie mit einem auf dem Herd erhitzten Eisen gebügelt oder in einer Zinnwanne ein Kind gebadet wird. „Die Mädchen haben die Puppenstuben damals auch bekommen, um sie auf ihr Leben als Hausfrau vorzubereiten“, erklärt Rosemarie Hahn. Männer aus dieser Zeit sind im Museum derweil unter anderem in einem mit dunklen Möbeln eingerichteten Herrenzimmer zu finden.

Poster von Elvis und Peter Kraus

In den 1950ern waren die Rollenmodelle offenkundig schon ein wenig verändert. In einem mit Elvis- und Peter-Kraus-Postern dekorierten Jugendzimmer wird wild getanzt. Und in den Küchen aus dieser Zeit sind viele Geräte zu sehen, die den Frauen die Arbeit erleichtern. Gegenüber dem opulenteren Möbelstil mit Verzierungen und Intarsien in den 1930ern hatte sich der Geschmack 20 Jahre später gewandelt: In den neueren Puppenstuben finden sich klare Formen und viel Plastik. „Nierentisch und Tütenlampen, das steht für die 1950er-Jahre“, sagt Sammlerin Hahn. „Und der Gummibaum“, fügt sie hinzu. Selbstverständlich ist auch er in der Ausstellung zu finden.

Nachbau bis ins kleinste Detail

Wer sich Zeit nimmt und die Puppenstuben genauer betrachtet, wird immer wieder neue faszinierende Details entdecken. Die Vielfalt der Rundfunkgeräte im Radioladen zum Beispiel, das Kind eines schwarzen GIs, eines US-amerikanischen Soldaten, in einer typischen Ein-Raum-Wohnung aus den 1950ern, selbst verlegtes Parkett im Miniaturformat oder auch die Nachbildung einer der frühen Registrierkassen mit Laufband. Sogar eine Kirche aus den 1950ern gibt es im Puppenstubenmuseum. Und es ist nicht einfach irgendein ausgedachtes Gotteshaus. „Ein Pfarrer hat sie seiner Kirche nachbauen lassen, um seinen Neffen zum Priestertum zu animieren“, verrät Rosemarie Hahn. Der Plan ist ihr zufolge am Ende nicht aufgegangen. Doch Freude bereitet hat das besondere Puppenhaus dem Kind bestimmt.

Das Buch der Bücher im Mittelpunkt

Die kleine Kirche würde auch gut in ein weiteres Museum passen, das sich einem ganz speziellen Thema widmet. Was genau den Besucher im Pfälzischen Erlebnis-Bibelmuseum in Neustadt erwartet, lässt der Name schon erahnen. Doch erst im Innern ist zu erkennen, dass sich über das Buch der Bücher tatsächlich ein ganzes Museum füllen lässt. Als das Bibelhaus des Pfälzischen Bibelvereins 1992 eröffnet wurde, war es noch gar nicht als Museum angelegt. Zwar befand sich neben einer Buchhandlung schon damals eine Ausstellung in den Räumen, doch war sie noch anders aufgebaut und nicht so umfangreich wie heute.

Erleben und Mitmachen

Mittlerweile stehen im ersten Teil der Ausstellung das Erleben und Mitmachen im Mittelpunkt. Dabei kommt auch das imposanteste Exponat in diesem Bereich zum Einsatz: der Nachbau einer hölzernen Druckerpresse wie zu Zeiten Johannes Gutenbergs. Als Teil der „Lernstraße Bibelwelt“ wird an dieser Station der Psalm 23 im Schriftbild der Luther-Bibel aus dem Jahr 1545 gedruckt. Wie Gemeindediakon und Museumspädagoge Tim Versteegen weiß, ein besonderes Erlebnis vor allem für Schulklassen, die den Großteil der Besucher ausmachen.

Tim Versteegen (links) und Michael Landgraf
Exponate im Bibelmuseum
AUF ZEITREISE Im Bibelmuseum lassen Tim Versteegen (links) und Michael Landgraf auch durch das Ausstellen archäologischer Fundstücke die biblischen Geschichten lebendig werden.

Zeitreise beginnt etwa 3000 vor Christus

„Eine Führung beginnt meistens beim Erzähl-Zelt“, sagt der 41-Jährige. „Ich nehme die Kinder mit auf eine Zeitreise.“ Die beginnt etwa 3000 vor Christus und damit, wie Menschen damals Geschichten aufgeschrieben haben. Vom Stein und Ton führte der Weg über Wachstafeln bis zum Papyrus, das lange Zeit für Schriftrollen gebräuchlich war. Später gab es zwar Papier, doch das Teilen von Geschichten – auch der Heiligen Schrift – war immer noch eine mühsame Angelegenheit. „Die Mönche schrieben die Bibel ab“, erklärt der Experte. Und um selbst zu erleben, wie anstrengend und zeitaufwendig das war, können die Besucher sich in der Schreibwerkstatt selbst an dem kunstvollen Schreiben mit der Feder versuchen. Die Reise führt weiter in die Zeit von Martin Luther, über den im Bibelmuseum einiges zu erfahren ist. Nicht zuletzt gehört auch ein Exemplar der letzten von ihm selbst bearbeiteten Bibelausgabe, die „letzte Hand“ von 1545, zu den Exponaten. Diese seltene Bibel liegt jedoch hinter Glas in der Schatzkammer des Museums, die sich noch eine Etage tiefer befindet.

Biblische Szenen mit Lego nachgestellt

Die Lernstraße Bibelwelt wurde vom Theologen und Historiker Michael Landgraf, Museumsleiter und Leiter des Religionspädagogischen Zentrums Neustadt, analog zu seiner Lernmaterialien-Reihe „ReliBausteine“ entwickelt. „Wir versuchen, die Vielfalt der Bibel darzustellen“, sagt der 62-Jährige. Und dazu gehören auch Bibeln, die auf den ersten Blick gar nicht als solche zu erkennen sind. So gibt es dort auch eine „Bibel für Minecrafter“, die biblische Geschichten in die Welt des Computerspiels Minecraft katapultiert. Für die „Berliner Bibel“ wurden biblische Szenen mit Lego nachgestellt. Und in „Manga Messias“ sind Jesus und seine Begleiter im Manga-Stil gezeichnet. Es gehe darum, die Bibel in Sprachen zu übersetzen, die verstanden werden, erklärt Landgraf. „Lego ist eine Sprache, Manga ist ebenfalls eine Sprache.“ Und auch jede Mundart habe ihre eigene Bibelausgabe, natürlich auch das Pfälzische.

Fundstücke machen Geschichten lebendiger

Archäologische Fundstücke lassen die biblischen Geschichten noch lebendiger werden. Dabei sieht ein ganz besonderes Exponat gar nicht so spektakulär aus: Es handelt sich um ein kleines Tongefäß. „Das ist ein Kochtopf für eine Person aus der Zeit Jesu, der auf Reisen mitgenommen wurde“, so Landgraf. Gefunden worden sei er am See Genezareth. Auch eine Auswahl an historischen Öllampen findet sich in den Vitrinen.

Wertvollste Exponate in der Schatzkammer

Die wertvollsten Stücke, die seltenen und teils jahrhundertealten Bibeln, werden in der Schatzkammer aufbewahrt. „Wir haben eine der größten Sammlungen reformierter Bibelausgaben, die es gibt“, sagt der Museumsleiter stolz. Den Schwerpunkt lege das Museum auf Neustadter Bibeln. Sie seien auch die ersten mit Verszählung gewesen, erklärt der Fachmann. Seit 2019 ist das Museum sogar stolzer Besitzer einer Prachtausgabe der Neustadter Bibel von 1594, die im Zentrum der Bibelausstellung in der Schatzkammer steht. Allein in diesem Raum werden so viele besondere Exemplare der Heiligen Schrift präsentiert, dass fachkundige Besucher Stunden in der Schatzkammer verbringen können. Auch Michael Landgraf gerät ins Schwärmen, wenn er über die Exponate spricht. „Sie gilt als die wohl schönste Bibel der vorlutherischen Bibeldrucke“, sagt er etwa über die mit Holzschnitten verzierte Koberger-Bibel von 1483. Außergewöhnlich seien auch die erste koreanische Bibel, eine tibetanische und sogar eine Bibel aus Ghana.

Ein Exponat im Bibelmuseum
Ein Exponat im Bibelmuseum
BESONDERE EXPONATE Eine der größten Sammlungen reformierter Bibelausgaben, die es gibt, wird im Erlebnis-Bibelmuseum ausgestellt.
Ein Exponat im Bibelmuseum
Blick ins Bibelmuseum

Die größte und die kleinste Bibel der Welt

Nicht besonders alt, aber dennoch sehr besonders sind auch zwei Bibeln, die wiederum als Teil der „Lernstraße Bibelwelt“ gezeigt werden: „Wir haben hier die größte und die kleinste Bibel der Welt“, verrät Tim Versteegen. Zugegeben, von der größten Bibel sind nur kleine Teile im Museum, denn sie bedeckte als Plane bei der „Weltausstellung Reformation“ 2017 in Wittenberg einen 30 Meter hohen Turm. Die kleinste Bibel dagegen ist kaum zu sehen: In ein Kreuz, das an einer Kette getragen werden kann, ist ein winziger Chip eingearbeitet. 4 x 4 Millimeter reichen in diesem Fall aus, um das gesamte Alte und Neue Testament in Nano-Schrift stets bei sich zu tragen.

Ziegeleimuseum

Untere Buchstraße 22a in Jockgrim. Geöffnet Mi und Sa von 14 bis 17 Uhr sowie So von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet drei Euro, Kinder unter 14 Jahre sowie Schulklassen sind frei. Eine Saisonkarte kostet 37 Euro. Führungen sind nach Anmeldung möglich. Mehr Informationen im Internet oder unter Telefon 07271 52895.

Puppenstubenmuseum

Rosenweg 3 in Jakobsweiler. Geöffnet von April bis November, So von 14 bis 17 Uhr. In den Wintermonaten sowie an Wochentagen sind Besuche nach Vereinbarung möglich. Der Eintritt kostet zwei Euro, Kinder ab 8 Jahre zahlen einen Euro.

Pfälzisches Erlebnis-Bibelmuseum

Stiftstraße 23 in Neustadt an der Weinstraße Für Einzelbesucher Di und Do (außer an Feiertagen) von 8.30 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen und Schulklassen können unter Telefon 06321 84772 auch an anderen Tagen Führungen vereinbaren. Der Eintritt kostet 4,50 Euro für Erwachsene und 2,50 Euro für Kinder und Jugendliche. Mitglieder des Pfälzischen Bibelvereins zahlen 3 bzw. 2 Euro.

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Was wissen

Wie erkennt man guten Wein?

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, worauf man bei der Suche nach einem guten Wein achten sollte.

Foto: Deutsches Weininstitut

Wer kennt das nicht? Man greift beim Einkauf zu einem Produkt und ist unsicher, ob es denn auch die erhoffte Qualität hat. Ein Richtwert könnte dabei der Preis sein. Das gilt auch bei der Suche nach einem guten Wein – wenn man sich nicht nur vom möglicherweise optisch auffälligen Etikett beeinflussen lassen will. Beim Preis für eine Flasche Wein spielen mehrere Faktoren eine Rolle: die anfallenden Fixkosten, Investitions-, Lohn- und Maschinenkosten, die Flasche, der Verschluss, die Kapsel und das Etikett. Nach Berechnungen des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz in Neustadt, liegen die Ausgaben unter Berücksichtigung aller anfallenden Abschreibungen und Erzeugungskosten sowie der Struktur des einzelnen Betriebes für die Flasche Wein bei etwa fünf bis sechs Euro.

Auszeichnungen als Qualitätskriterium

Ist nun ein teurer Wein besser oder intensiver als ein preiswerter? Ein Qualitätskriterium beim Einkauf sind auch mögliche Auszeichnungen auf einer Flasche, wie etwa bei Weinen, die von der Landwirtschaftskammer mit einer bronzenen, silbernen oder goldenen Medaille ausgezeichnet wurden.

„Handschrift“ des Winzers wichtig

Wichtig mit Blick auf das Gesamtgeschmacksbild sind zudem der Ausbaustil und die „Handschrift“ des Winzers. Und die sind von Weingut zu Weingut unterschiedlich. So ist etwa das Aroma beim Sauvignon Blanc bei dem einen Winzer mehr durch die grüne Paprika-Note geprägt. Bei dem anderen Winzer schmeckt der Wein dagegen mehr nach grünem Spargel oder grünen Bohnen – also aromatisch dezenter. Dazu gehört auch die Restsüße eines Weines oder die Vorliebe für bestimmte Rebsorten mit ihren unterschiedlichen Aromen. Der eine mag mehr halbtrockene, liebliche, bukettreiche Weinsorten wie beispielsweise Sauvignon Blanc, Scheurebe oder Gewürztraminer. Der andere bevorzugt eher Rebsorten wie Riesling, Müller-Thurgau oder Chardonnay. „Modern“-trockene Weine bewegen sich, je nach Säure, bei einer Restsüße von etwa bei vier bis sieben Gramm Zucker. Weißwein schmeckt im Allgemeinen fruchtiger und ist durch die Säure geprägt. Rotweine sind im Geschmack runder. Sie können angenehm beerig schmecken, aber auch durch die Tannine geprägt sein und dadurch einen etwas kantigeren Abgang haben.

Individuelles Geschmacksempfinden

Dies ist eine grobe Unterteilung und Orientierung, was die (Vor-)Weinauswahl erleichtert. Kauft man Wein ein, sollte man ihn nach Möglichkeit zuvor probieren können. Leider ist dies aber nicht immer möglich. Wichtig ist auch zu wissen, dass jeder Mensch sein eigenes, individuelles Geschmacksempfinden hat. Sprich: Was dem einen besonders gut schmeckt, muss nicht zwingend auch dem anderen munden.

Hintergrundwissen kann hilfreich sein


Ist ein Wein also gut, weil er mir schmeckt? Oder ist er von gehobener Qualität, wenn er entsprechend teuer ist? Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen kann auch ein gewisses Hintergrundwissen hilfreich sein. Aufschlussreich wäre etwa, verschiedene Weine auf Messen, bei den Weingütern, Winzergenossenschaften oder in Vinotheken zu probieren und dabei die Unterschiede kennenzulernen. Oder man besucht einmal ein Weinseminar, um unter Anleitung Wein fachlich richtig zu verkosten. Schließlich nimmt der eher ungeübte Konsument die Vielzahl der Aromen und die geschmackliche Tiefe eines Weines oft nur unvollständig wahr. Letztlich ist derjenige ein guter Wein, der dem Konsumenten am besten schmeckt – auch wenn er nicht der teuerste ist.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Das Farbenspiel der Weine

Grauburgunder zählt zu den beliebtesten weißen Rebsorten in Deutschland. Im südpfälzischen Schweigen vinifiziert das Weingut Friedrich Becker Grauburgunder, dessen Farbe an einen provenzalischen Rosé erinnert.

Foto: Gabriella Clare Marino/Unsplash

Mit steigenden Temperaturen kommt wieder mehr Farbe in unseren Alltag – die Pflanzenwelt bietet uns eine breite Palette, was jede Menge Lebensfreunde mit sich bringt. Mit den warmen Kalendermonaten ändert sich auch die Wahl unserer Weine. Nun finden wieder spritzige Weißweine und schillernde Rosés ihren Weg in die Weingläser. Gerade Rosé liegt derzeit absolut im Trend. Die typischen Pfälzer Rosés werden aus Spätburgunder, Dornfelder oder Portugieser gemacht. Doch auch Grauburgunder kann deutliche rosafarbene Reflexe im Glas zeigen!

Wein mit einem rosa Schimmer

Diese Eigenschaft bringt der Graue Burgunder Kalkmergel vom Weingut Friedrich Becker mit sich. Nun ist Grauburgunder eine Weißweinsorte – woher kommt also die Farbe? Die ausgereiften Grauburgunderbeeren besitzen eine rote Beerenhaut. Sie weist nicht so viele Anthocyane (Farbstoffe) wie der kleine Bruder Spätburgunder auf, doch die Menge ist ausreichend, um dem Wein einen rosa Schimmer zu verleihen.

Winzer Friedrich Wilhelm Becker
Friedrich Wilhelm Becker.
Foto: Weingut Friedrich Becker/Christopher Nitschke

Angenehme Frische und Struktur

Das Team von Friedrich Becker hat die Trauben von Hand selektiert, entrappt und ihnen anschließend eine Standzeit über drei Tage auf der Maische gegönnt, bevor der Most abgepresst wurde. Die gezielt lange Mazeration sorgt für eine schöne rosa Farbe im Wein. Nach der Gärung ruhte der Graue Burgunder über neun Monate in großen und kleinen Eichenholzfässern. Der 2022er Grauer Burgunder Kalkmergel zeigt sein Farbspiel im Glas sehr deutlich. Die Aromen in der Nase werden von hellroten Gartenfrüchten sowie Granatapfel dominiert und von einer zarten Eichenholznote begleitet. Auf der Zunge ist der Wein saftig mit einer angenehmen Frische und Struktur. Ein Grauburgunder, der zu allen Jahreszeiten seinen Platz auf den Esszimmertisch findet.

Passion und Fingerspitzengefühl

Das VDP-Weingut Friedrich Becker zählt seit vielen Jahren zur deutschen Top Wein-League. Mit Know-how, Passion und Fingerspitzengefühl schafft Familie Becker es jedes Jahr aufs Neue, charakterstarke und präzise Weine hervorzubringen.

2022 Grauer Burgunder „Kalkmergel“ | 0,75 Liter | 17,90 Euro | Weingut Friedrich Becker, Schweigen-Rechtenbach | friedrichbecker.de

Inga Klohr. Foto: Adlumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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