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Pfälzer Perspektiven

Von Affen lernen

Betrachtungen von Janina Huber rund um Alkohol als gesellschaftlichen Schmierstoff und die „Drunken Monkey Hypothesis“.

Die Inspiration für diese Kolumne fliegt mir häufig einfach im Alltag zu – und dieses Mal war der Auslöser besonders kurios. Im Internet habe ich ein Video gesehen, das Affen beim gemeinsamen Verzehr vergorener Früchte zeigt. Natürlich war es vor allem zum Amüsement der zweibeinigen Nachkommen gedacht. Aber mein erster Gedanke war: Ha, da ist es wieder, das „Social Drinking“. Sogar Affen scheinen Alkohol mehr oder weniger bewusst als gesellschaftlichen Schmierstoff einzusetzen.

Assoziationen von kreisenden Dubbegläsern

Ein bisschen Recherche zeigt: Dazu gibt es sogar eine wissenschaftliche Theorie, die „Drunken Monkey Hypothesis“. Schon für unsere Vorfahren, so sagen die Forschenden, muss es einen evolutionären Vorteil geboten haben, vergorene Früchte zu essen. Zum einen riechen diese besser – die Weinfachfrau weiß: Bei der Gärung entstehen die Aromen. Sie enthalten aber auch mehr Kalorien, und ja, sie scheinen sich positiv aufs Miteinander auszuwirken. Und es kommt noch eines hinzu: Die Affen teilen die beschwipsten Früchte, was nicht nur den sozialen Aspekt unterstreicht, sondern auch unweigerlich Assoziationen von kreisenden Dubbegläsern bei mir weckt.

Eine Spannung tut sich auf

Unsere Präferenz, mit etwas Alkohol gemeinsam zu feiern, könnte also evolutionär geprägt sein. So ziemlich jeder Pfälzer dürfte das aus dem Stand unterschreiben. Doch gleichzeitig tut sich eine Spannung auf: Aktuell sitzt gerade den Winzerinnen und Winzern die Berichterstattung über die neueste Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung im Nacken, wonach quasi jeder Schluck risikobehaftet ist. Und alle, Produzenten, Experten und vielleicht auch viele Weinfans, fragen sich: Wie gehen wir damit um?

Bewusster und maßvoller Genuss

Wichtig ist für mich zunächst: Leugnen bringt nichts! Medizinische Erkenntnisse wegzureden, das geht nicht. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst machen, dass hier in der Pfalz neben Wirtschaft und Tourismus auch eine Kulturlandschaft und das Lebensgefühl einer ganzen Region tief mit dem Wein verbunden sind. Natürlich: Wer regelmäßig und viel trinkt, setzt seine Gesundheit aufs Spiel. Aber zum einen ist das jedem selbst überlassen. Und zum anderen gibt es zwischen totalem Verzicht und hemmungslosem Konsum einen Raum, in dem der Genuss bewusst, maßvoll und sinnstiftend wird. Und genau dort sehe ich die Pfälzer Weinkultur. Am Ende können wir auch hier von den Affen lernen: Einen Vollrausch, so betonen die Forschenden, gibt es bei ihnen nicht. Sie halten Maß, teilen in ihrer Gemeinschaft und zeigen uns damit ein Stück weit auch, wie Feiern geht – nicht, dass wir in der Pfalz hier Nachhilfe nötig hätten!

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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Ehrenamt in der Pfalz

Prägend für die Pfalz

Burgen auf Felsspornen, Hütten mitten im Wald, Wanderwege mit Weitblick. Wer die Pfalz kennt, hat sie alle vor Augen. Doch was viele nicht sehen: Hinter jeder gepflegten Anlage, jeder offenen Tür und jedem gut markierten Pfad stehen Menschen, die ehrenamtlich unverzichtbare Arbeit leisten. Eine Spurensuche nach der Begeisterung, die zum Anpacken bewegt.

Foto: PfalzTouristik e.V./Heimatlichter GmbH

Wer sich aus der Rheinebene in Höhe von Mannheim und Ludwigshafen der Weinstraße nähert, sieht sie schon von weitem: Die Ruine der Wachtenburg thront stolz über den Weinbergen bei Wachenheim. Abends und nachts wirkt die angestrahlte Burg auf einem Bergsporn in gut 230 Metern Höhe noch größer. Im 12. Jahrhundert als Schutz- und Wachposten errichtet, wurde sie bei Kämpfen zerstört, dem Verfall überlassen und später Stück für Stück gerettet. Ihre liebevoll restaurierten Mauern erzählen von Bränden, Kriegen und von Menschen, die anpacken. Seit 1984 kümmert sich der Förderkreis Wachtenburg darum, dass die Ruine nicht nur erhalten bleibt, sondern lebt. Die Wachtenburg, die auch unsere Titelseite ziert, steht symbolisch für das Engagement freiwilliger Helfer. Eine Geschichte, wie sie vielerorts in der Pfalz geschrieben wird. Und eine Geschichte, die zeigt, dass Genuss und Gemeinschaft zusammengehören.

Grünpflege an der Wachtenburg
INTENSIV 7500 Quadratmeter Fläche an der Wachtenburg machen zahlreiche Arbeitseinsätze erforderlich. Foto: Michael Dostal

Burgpflege am Samstagmorgen

Ein Samstagmorgen im Mai. Schon von weitem sind die Motorsensen zu hören. Arbeitseinsatz an der Wachtenburg. Neun Männer sorgen diesmal dafür, dass Wege und Flächen begehbar bleiben, Hänge nicht zuwuchern. „Insgesamt sind es rund 7500 Quadratmeter Fläche, die wir betreuen. Arbeitseinsätze gibt es jeden ersten Samstag im Monat“, beschreibt Willy Bohl die Dimension der Aufgabe. Der 1966 geborene gelernte Bankkaufmann ist seit 2023 Vorsitzender des Förderkreises zur Erhaltung der Ruine Wachtenburg und war vorher zehn Jahre lang als Kassenwart aktiv. Mit rund 1100 Mitgliedern ist der Förderverein einer der größten in der Region – rund zwei Drittel davon kommen aus Wachenheim, der Rest von außerhalb. Hauptzweck ist der Erhalt der Burg. Dazu zählen neben der Pflege des Burggeländes die Sanierung der baulichen Überreste, aber auch das Sammeln von historischen Fundstücken und das Aufarbeiten von historischen Dokumenten. In einem Museum, das der Verein in der Burgruine betreibt, ist vieles davon zu sehen.

Willy Bohl
Willy Bohl. Foto: Michael Dostal

Rund 118.000 Arbeitsstunden

In 40 Jahren sind von freiwilligen Helfern unentgeltlich etwa 118.000 Stunden an Arbeit geleistet worden. „Den harten Kern bei den Einsätzen bilden acht bis zwölf Personen“, berichtet Bohl, der sich darüber freut, dass auch Firmen aus der Region die Arbeiten unterstützen. Der Kreis der ehrenamtlichen Helfer wächst beim jährlichen Burgfest (immer 4. Wochenende im August) auf rund 100 an. Der Erlös des Festes fließt komplett in die Sanierung der Burg. Die Eigenmittel des Vereins kommen außerdem aus Mitgliedsbeiträgen und der Pacht für die Burgschänke, einer beliebten Wirtschaft mit Aussichtsterrasse. Geld- und Sachspenden tragen ebenfalls dazu bei, dass die Wachtenburg Anziehungspunkt für Geschichtsinteressierte, Naturfreunde und Genießer bleibt. Die Kosten für große Baumaßnahmen sind zudem von Land, Kreis und Stadt gefördert worden. „Wir streben an, dass die bewährte Drittelung der Kosten zwischen Landesamt für Denkmalpflege, der Stadt und uns weiterläuft“, wünscht sich Bohl. „Zusammenspiel, Kompromisse und Rücksichtnahme“ sind für ihn der Schlüssel für die erfolgreiche Vereinsarbeit.

Aktiver Beitrag „guter Bürger“

Ein Exkurs: Das Ehrenamt hatte schon in der Antike eine große Bedeutung. Ein aktiver Beitrag zur Gesellschaft stellte für einen „guten Bürger“ in Griechenland und im Römischen Reich einen wichtigen Bestandteil des Lebens dar. Wer nur für sich selbst lebte, wurde als egoistisch angesehen. Die Griechen prägten sogar den Begriff „ídiotes“ („Privatpersonen“) dafür. Er geht auf das Wort „ídios“ zurück, das „eigen(artig)“ oder „privat“ bedeutet. Ehrenamtliche Tätigkeit hat zudem einen Ursprung in der christlichen Nächstenliebe. Mit dem Wohlfahrtsgedanken, der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam, wurde freiwilliges Engagement – zum Beispiel in Arbeiter- oder Sportvereinen – immer stärker organisiert. Auch der Touristenverein „Die Naturfreunde“ (gegründet 1895) und der Pfälzerwald-Verein (1902) sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die Nazis machten dann den Dienst an der Gemeinschaft zum Teil der Ideologie. Heute gibt es ungezählte Möglichkeiten, sich als Privatperson oder in Vereinen ehrenamtlich einzubringen. Ebenfalls breit gefächert sind die Bezeichnungen für solche Menschen, die von Aktiven über Engagierte oder Freiwillige bis zu Ehrenamtlichen reichen. Alle haben eines gemeinsam: Ihre Tätigkeiten sind freiwillig, werden nicht bezahlt, dienen dem Gemeinwohl und finden im öffentlichen Raum statt.

Ehrenamtlich fürs Ehrenamt

Zurück in die Pfalz: Nicht weit von der Wachtenburg entfernt lockt der Eckkopfturm auf dem gleichnamigen Berg als Ziel für Wanderer und Mountainbiker. Dies hat zwei Gründe: Zum einen entschädigt ein grandioser Rundblick für die Mühe des Aufstiegs, zum anderen kann man sich in der zum Turm gehörenden Hütte erfrischende Getränke und kräftigende Gerichte gönnen. Seit 50 Jahren – Anfang Mai wurde das Jubiläum gefeiert – bewirtschaften während der Saison Vereine oder Gruppen an Wochenenden und Feiertagen die Hütte. Deren ehrenamtliches Engagement wird zudem sogar ehrenamtlich organisiert. Seit nunmehr elf Jahren übernimmt dies Hüttenwart Josef Reinhardt für die Verbandsgemeinde Deidesheim, der der Turm gehört. „In der Regel bin ich einmal die Woche oben“, sagt der 1955 geborene ehemalige Fernmeldetechniker. Angefangen hat für Reinhardt alles mit einer Anzeige im Amtsblatt.

Josef Reinhardt
Josef Reinhardt. Foto: Michael Dostal

Aussichtsturm und Hütte im Blick

Der heutige Eckkopfturm – er hatte Vorläufer aus 1891 und 1973 – war nach einer Brandstiftung im Jahr 1975 eröffnet worden (mehr dazu im VielPfalz Extra „Pfälzer Höhepunkte“). Um Spenden zu generieren, servierte die Feuerwehr seinerzeit „Schorle und Weck“. Das Bewirtschaftungskonzept für die Hütte habe sich dann nach und nach entwickelt, erzählt Reinhardt. Mit den Jahren geriet der Eckkopfturm aber etwas in den Hintergrund, was den damaligen Verbandsbürgermeister Theo Hoffmann auf den Plan rief. Mit Blick auf den nahenden 40. Geburtstag wurde also ein Hüttenwart gesucht. Aus „hochfahren und nach dem Rechten sehen“ sei dann relativ schnell „ein Sich-um-alles-Kümmern“ geworden, so Reinhardt. Er organisiert nicht nur die Termine der Vereine, sondern berät sie oder steuert Tipps rund um die Bewirtschaftung bei. Weitere Aufgaben sind Reinigung und Instandhaltung der Hütte. „Der Bauhof hilft mir dabei“, ergänzt der Hüttenwart, der mit einem Unimog auch das Wasser für den Hüttenbetrieb nach oben kutschiert. „Mir macht es einfach Spaß, doch ewig kann ich nicht alles machen. Man muss sich rechtzeitig etwas für die Zukunft überlegen“, betont Reinhardt.

Verstärkte Konkurrenz

Zukunftsorientierung bei Vereinen empfiehlt auch Martin Schwarzweller. Er führte 27 Jahre lang als Geschäftsführer den Sportbund Pfalz. Der 1958 geborene Ellerstadter war und ist selbst ehrenamtlich tätig. Schon als 19-Jähriger leitete er die Volleyballabteilung des TV Bad Dürkheim. Er gründete den Verein „Pfälzische Sportgeschichte“ und war zwölf Jahre lang dessen Vorsitzender. Derzeit ist er Übungsleiter im Gehfußball bei der Spielgemeinschaft TuS Friedelsheim/TV Gönnheim. Und er setzt sich intensiv mit dem Thema Entwicklung des Ehrenamts auseinander. Denn er erwartet, dass „die hohe Zahl an gemeinnützigen Vereinen gepaart mit dem drastischen Geburtenrückgang zu einer verstärkten Konkurrenz um Mitglieder und Ehrenamtler führt“. Verschärft werde die Situation zusätzlich, so ist sich Schwarzweller sicher, weil Ehrenamtler durch Aufgaben, die die öffentliche Hand nicht mehr leiste, auch an anderen Stellen immer häufiger gebraucht würden. Als Beispiele nennt er die Versorgung armer Menschen mit Lebensmitteln, die Unterstützung von Schulen, Kindergärten oder Feuerwehr durch Vereine oder das Steuern von Bürgerbussen im Ehrenamt.

Martin Schwarzweller
Martin Schwarzweller. Foto: Michael Dostal

Fake News zum Ehrenamt

Vor diesem Hintergrund kritisiert Schwarzweller Medienberichte, Leserbriefe oder Grußworte bei Vereinsveranstaltungen, die Ehrenamtler „quasi als Überbleibsel oder Dinosaurier einer einst so glorreichen Zivilgesellschaft darstellen, die seit Jahren am Zerfallen ist“. Aussagen wie „Keiner ist mehr bereit, ein Ehrenamt zu übernehmen“, „Jeder schaut nur noch auf sich selbst“ oder „Die Ich-AG hat das Miteinander verdrängt“ bezeichnet er als Fake News. „All dies entbehrt jeder Grundlage und wird auch durch ständige Wiederholung nicht richtig“, betont er und verweist auf Fakten aus dem Deutschen Freiwilligensurvey. Diese systematische Umfrage des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend berichtet seit 1999 alle fünf Jahre über die Entwicklung des freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements in Deutschland. Demnach hat sich die Zahl der eingetragenen Vereine in der Bundesrepublik, die meist gemeinnützig und ehrenamtlich geführt sind, seit den 1960er-Jahren versechsfacht und liegt aktuell bei 620.000. „Allein von 1995 bis zum heutigen Tag beträgt der Zuwachs 200.000“, betont Schwarzweller. Hinzu kommen geschätzt rund 200.000 weitere Vereine, die nicht im Vereinsregister eingetragen sind, aber ebenfalls gemeinnützig sein können.

Die Hand eines Babys
SINKEND Die Zahl der Geburten in der Bundesrepublik sinkt drastisch. Deshalb gibt es auch in den Vereinen Nachwuchsprobleme. Foto: Nathan Dumlao/Unsplash

Vereinswelt im Wandel

Im Jahr 1969 hatte der Sportbund Pfalz rund 1000 Vereine als Mitglieder, aktuell sind es 1968. Zudem habe sich die Zahl der Fachverbände, die alle auch ehrenamtlich geführt werden, so Schwarzweller, in den 75 Jahren seit der Gründung des Sportbundes auf 65 mehr als verfünffacht. „Zu Turnen, Fußball und Leichtathletik sind neue dazugekommen. Die jüngsten sind Muay Thai und Dart“, erklärt er. Aber natürlich gebe es auch Vereinsauflösungen – nicht nur beim Sportbund. „Von den 2000 Freddy-Quinn-Fanclubs in der Bundesrepublik aus den 1960er-Jahren ist beispielsweise kaum noch etwas übriggeblieben. Gott sei Dank gibt es auch keine Kriegervereine mehr“, ordnet Schwarzweller dies ein. Gründe dafür, dass Vereinsfunktionäre von großen Schwierigkeiten bei der Besetzung von Positionen im Verein berichten, sieht er – siehe oben – im Höchststand an gemeinnützigen Organisationen und dem drastischen Geburtenrückgang in Deutschland. Die Zahl der Geburten habe sich von 1964 bis heute auf knapp 700.000 jährlich nahezu halbiert. „Die Generation der Babyboomer geht nach und nach in Rente. Bei den von 1966 bis 1980 Geborenen fehlt im Vergleich ein Drittel, das sich also nicht ehrenamtlich engagieren kann“, verdeutlicht Schwarzweller die Problematik. Er rechnet deshalb in den nächsten Jahren sogar mit einem Rückgang der Zahl der Vereine. Bei fehlenden Auszubildenden, zurückgehender Studierenden-Zahl oder Nachwuchsproblemen der Bundeswehr werde die Problematik gesehen, mit Blick aufs Ehrenamt oft nicht.

Wertschätzung als Schlüssel

Das Fazit, es sei doch unerheblich, ob Ehrenamtler wegen mangelnden Interesses oder Geburtenrückgang fehlen, lässt Schwarzweller nicht zu. „Wer resignierend an ,Es macht ja keiner mehr was‘ glaubt, wird dies als selbsterfüllende Prophezeiung immer wieder erleben. Viele Vereine zeigen aber tagtäglich, wie man bestehen kann“, argumentiert er gegen „einen Zeitgeist mit pessimistischer Grundhaltung“. Von Ideen aus der Politik, zum Anreiz die Übernahme von Ehrenämtern mit Rentenpunkten zu belohnen, hält er nichts. Dem Ehrenamt liege immer eine Motivation aus eigenem Antrieb zu Grunde. Allerdings könne es durch Entbürokratisierung zum Nulltarif entlastet werden, verweist Schwarzweller auf Auflagen beim Daten- und Brandschutz, kompliziertes Steuerrecht und extreme Vorgaben für Veranstaltungen. Faktoren für eine erfolgreiche Vereinsentwicklung seien aber vor allem eine hohe Wertschätzung gegenüber jenen, die sich engagieren, ein harmonisches Miteinander, eine aktive Jugendarbeit und ein reges Vereinsleben mit persönlichen Begegnungen. Auch eine positive Außendarstellung des Vereins und seiner Leistungen gehöre dazu, damit Mitglieder stolz auf ihn sein könnten und andere auf den Verein aufmerksam würden. Nicht zuletzt gelte es, regelmäßig die Struktur und organisatorische Abläufe zu hinterfragen. Wichtigster Punkt für Schwarzweller: „Der erfolgreichste Weg, um Menschen fürs Ehrenamt zu gewinnen, ist die persönliche Ansprache von Vereinsmitgliedern. Potenzielle Ehrenamtler müssen vorher erkennen können, was an Aufgaben und zeitlicher Belastung auf sie zukommt und wer ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht.“

Tradition kurz vor dem Aus

Ralf Pera
Ralf Pera. Foto: Privat

Ein Beispiel dafür, wie schwierig es werden kann, ist die Ortsgruppe Kaiserslautern des Pfälzerwald-Vereins. „Dem Lautrer PWV droht das Aus“, lautete die fünfspaltige Überschrift auf der Titelseite des Kaiserslauterer Lokalteils der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ am 18. Januar dieses Jahres. Die 1903 gegründete Ortsgruppe zählt zu den ältesten in der Pfalz, weshalb der Vorgang auch über die Stadt hinaus Wellen schlug. Dabei war es ein Abschied mit Ansage. Ralf Pera, 1961 geboren, hatte 2020 den Vorsitz übernommen, weil sich niemand anderes fand. Schon damals kündigte er an, dass er das Amt nur auf Zeit ausüben werde. Doch das Vorstandsteam, der Kassenwart war schon 81 Jahre alt, schrumpfte immer mehr. Irgendwann war Pera dann als Vorsitzender gleichzeitig noch Kassen- und Jugendwart, Wanderführer und er kümmerte sich zudem um Website und Öffentlichkeitsarbeit. „Ziemlich viel für jemanden, der eigentlich nur wandern wollte“, sagt er. Deshalb habe er im Januar angekündigt, dass er bei der Jahreshauptversammlung 2026 die Auflösung des Vereins beantragen werde. Gleichzeitig, Pera wollte die Ortgruppe nicht sich selbst überlassen, startete er – unterstützt von der Geschäftsstelle des PWV-Hauptverbandes in Neustadt – eine Rettungsaktion.

Organisiertes Lebensgefühl

Robert Freisberg
Robert Freisberg. Foto: Privat
Dariusch Purkabiri
Dariusch Purkabiri. Foto: Privat

Ende Januar kamen daraufhin rund 30 Menschen zusammen, darunter auch Neumitglieder, die bereit waren, Funktionen im Verein zu übernehmen. Im März folgte die Jahreshauptversammlung, in der alle 14 Posten im Vorstand besetzt werden konnten. An der Spitze stehen nun die Vorsitzenden Robert Freisberg und Dariusch Purkabiri. „Die Rettungssitzung war so etwas wie ein Weckruf“, sagt der 1977 geborene Freisberg, der als Referatsleiter im Innenministerium in Mainz arbeitet. Er, wie auch Purkabiri, 1978 geborener Geschäftsführer einer Unternehmensberatung aus Kaiserslautern, wandern mit ihren Familien selbst sehr gerne. Im Bekanntenkreis seien sie beide oft auf das drohende Ende des Ortsvereins angesprochen worden. „Schaffe und Schorle. Für uns ist der PWV das organisierte Pfälzer Lebensgefühl“, beschreiben die Vorsitzenden den Hintergrund für ihr Engagement. Es gehe nun darum, eine Organisationsstruktur aufzubauen, die Tradition wahre und gleichzeitig „das Erleben des Waldes mit einer neuen Kultur ermöglicht“. Für ihr Amt nehmen sie sich „Sichtbarkeit und Transparenz“ vor. „Wir haben keinen Masterplan. Alles muss wachsen“, erklärt Purkabiri. Rund 40 Mitglieder hatte die Ortsgruppe in der schwierigen Zeit verloren. Mittlerweile kamen so viele dazu, dass man mit 250 Mitgliedern einen Allzeit-Rekord erreicht. „Ich fühle mich mit dieser Entwicklung gut. Im Nachhinein bin ich sicher, dass man in solchen Situationen früher in die Öffentlichkeit muss“, zeigt sich Pera mit dem Ergebnis der Aktion zufrieden.

Ehrenamt prägt Demokratie

Martin Lange
Martin Lange. Foto: Privat

„Ehrenamt fällt meistens nur dann auf, wenn es wegbricht.“ Martin Lange leitet seit September 2024 die Abteilung „Demokratie- und Ehrenamtsförderung – kommunales Bildungsbüro“ bei der Stadtverwaltung Neustadt an der Weinstraße und will diesem Problem etwas entgegensetzen. Der 1989 geborene Sozialwissenschaftler sieht drei Säulen der Arbeit: für Sichtbarkeit des Engagements sorgen, Wertschätzung für die schaffen, die aktiv sind, und beim Ehrenamt an sich konkret unterstützen. „Dies kann durchaus auch niederschwellig sein, zum Beispiel durchs Vermitteln von Infowissen zu Haftpflicht- oder Gema-Fragen“, erläutert er. Als Basis für die weitere Arbeit hat er begonnen, in einem Monitoring-Prozess Zahlen, Daten und Fakten zusammenzutragen, die das „so starke bürgerschaftliche Engagement in Neustadt“ transparent machen – unter anderem mit einer neuen Website. Wer sich engagiere, übernehme schließlich Verantwortung und trage damit auch zur Profilierung Neustadts als Demokratiestadt bei. Die Devise bei allem müsse lauten: „Nicht verwalten, sondern gestalten.“ Lange will deshalb Treffpunktformate ausbauen, die zur Vernetzung beitragen, und zudem in die Verwaltung hineinwirken. Nicht zuletzt liegt auch die Zuständigkeit für die Ehrenamtskarte in seiner Abteilung. Mit ihr bekommen Ehrenamtler Vergünstigungen. Die Karte wurde 2014 von der Landesregierung in Kooperation mit den Kommunen „als Zeichen der Anerkennung und Würdigung“ eingeführt.

Vom Wirken im Verborgenen

Wertschätzung, auf die sie stolz ist, hat auch Ursula Peter-Kohlmann aus Bad Dürkheim erfahren. Im März erhielt die 1938 geborene frühere Fernmeldebeamtin die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik für ihren ehrenamtlichen Einsatz, der überwiegend im Hintergrund abläuft. Peter-Kohlmann beobachtet seit mehr als 40 Jahren für den Deutschen Wetterdienst (DWD), wie sich wildwachsende Pflanzen und Kulturpflanzen im Jahresablauf entwickeln. „Man benötigt schon Interesse für die Natur“, betont die begeisterte Gartenfreundin aus Berlin, die 1972 nach Bad Dürkheim kam. Insgesamt mehr als 5000 Daten hat Peter-Kohlmann mit Hilfe eines speziellen Notizbuches sowie von Meldebögen gesammelt und als phänologische Beobachterin an den DWD übermittelt. Fast jeden Tag fährt sie mit dem Fahrrad zu „ihren“ Pflanzen. Zum Programm, das mit der Blüte der Haselnuss im Vorfrühling beginnt und mit dem Nadelfall der Lärche im Spätherbst endet, gehören 47 verschiedene Gewächse.

Daten zeigen Klimaveränderung

Anhand langer Datenreihen lassen sich Klimaveränderungen gut erkennen. So beginnt der Frühling in der Natur seit Ende der 1980er-Jahre häufig früher als zuvor und die Winter werden wärmer, wie auch die Daten von Peter-Kohlmann zeigen. Phänologische Beobachtungen dienen neben der Klimaforschung vor allem der Landwirtschaft, um Modelle zu entwickeln, die den Verlauf von Pflanzenkrankheiten oder das Auftreten von Schädlingen vorhersagen. Die Modelle werden auch als Beratungshilfe zum umweltschonenden Pflanzenbau oder als Blühvorhersagen für Imker und Allergiker eingesetzt. Etwa 1000 phänologische Beobachter sind deutschlandweit ehrenamtlich für den DWD aktiv. „Ein Drittel davon arbeitet auf Papier, zwei Drittel geben die Daten online ein“, sagt Saskia Lifka vom DWD. Sie verweist darauf, dass die Vollversion der WarnWetter-App des DWD seit März 2023 für jeden die Möglichkeit bietet, eigene Pflanzenmeldungen einzugeben oder Meldungen anderer Nutzer zu sehen.

Eine Ruine als „Vereinspfund“

Florian Minch
Florian Minch. Foto: Michael Dostal

Zum Schluss nähern wir uns dem Ehrenamt nochmals über ein weithin sichtbares Symbol der Pfalz: die Wolfsburg. Die mittelalterliche Ruine liegt am westlichen Rand von Neustadt an der Weinstraße in gut 270 Metern Höhe auf einem Felsvorsprung über dem Stadtviertel Schöntal. „Die Burg ist schon ein richtiges Pfund. Wir haben die Mitgliederzahl auf 110 verdoppelt“, betont Florian Minch, ein 1996 geborener Elektroingenieur, der seit 2019 Vorsitzender des Wolfsburgvereins Neustadt ist. Früher firmierte er als Bürgerverein Schöntal. Minch kam über den Wald- und Wanderverein „Die Waldschatten“ dazu, wo er seit der Gründung im Jahr 2016 ebenfalls Vorsitzender ist. Entstanden ist der junge Verein aus einer losen Gruppe von Schülern, die sich seit 2013 zum Wandern traf. Neben der Geselligkeit sei immer mehr die Freude an der Natur in den Mittelpunkt gerückt. So sei als Ziel aktiver Naturschutz hinzugekommen, um die Vielfalt der Pfalz für die Mitmenschen und kommende Generationen zu erhalten. Mit dem ersten großen Projekt, der Mitarbeit an der Freistellung der Wolf’schen Anlagen, einer historischen Parkanlage aus dem 19. Jahrhundert, wuchs die Zahl der Engagierten stark. Am Ende stand dann ein eingetragener Verein, der mit seinen heute 50 Mitgliedern auch Teil des Pfälzerwald-Vereins ist.

Mit Burgschänke und Wolfsgeheul

Seitdem spielen Wolfsburgverein und Waldschatten quasi Doppelpass. „Wir haben damals einen großen Vertrauensvorschuss bekommen“, beschreibt Minch im Rückblick das Erfolgsrezept in der Phase der Verjüngung des Vereins. Heute liege die Altersspanne der Mitglieder zwischen 20 und 70 Jahren. „Natürlich diskutieren wir auch mal Kleinigkeiten. Man muss den Leuten aber vertrauen, da darf auch mal etwas in die Hosen gehen“, so der Vorsitzende, der ganz auf eine kooperative Vereinsführung setzt. Zentrale Aufgabe sei es, ein lebendiges Vereinsleben aufzubauen. In dessen Mittelpunkt stehe die Burgschänke mit Hausmannskost und schöner Aussicht, die schon seit 1971 in der Saison zwischen April und Oktober bewirtschaftet wird. „Dazu kommen die touristische Arbeit und ein ordentliches Kulturprogramm“, ergänzt Minch. Wichtig sei es, neue Ideen zuzulassen. So fasziniert ein Whisky-Tasting im Ambiente der Burg mittlerweile bereits zum vierten Mal. Höhepunkte im Kalender sind nicht zuletzt das alljährliche Wolfsburgfest im Juni (14./15.6.2025) und im September das Wolfsgeheul (13.9.2025), ein Abend mit Musik und romantischer Illumination der Burg. Auch diese Geschichte rund um die Wolfsburg unterstreicht also einmal mehr, dass in der Pfalz Genuss und Gemeinschaft zusammengehören.

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Pfälzer Fossilien

„Fossilfundstelle von Weltrang“

Fossilien ermöglichen einzigartige Einblicke in die Vergangenheit der Erde und das Leben auf ihr. Forschungsergebnisse aus der Region sind von internationaler Bedeutung. Mit Dr. Sebastian Voigt, Wissenschaftler und Leiter des Urweltmuseums Geoskop auf der Burg Lichtenberg, hat sich Autorin Kathrin Engeroff über Pfälzer Fossilien, Fundorte und Forschungsprojekte unterhalten.

Urweltmuseum Geoskop
Foto: Urweltmuseum Geoskop

Herr Dr. Voigt, welche Rolle spielt das Urweltmuseum Geoskop als Forschungs- und Bildungszentrum für die Region?

Das Urweltmuseum Geoskop ist auf der spätromanischen Burg Lichtenberg, der größten von mehr als 400 Burgen der Pfalz und touristischer Höhepunkt des Landkreises Kusel, angesiedelt. Mit seinen Ausstellungen, einem umfangreichen Veranstaltungsangebot und seiner Forschungstätigkeit ist es ein eigenständiger Publikumsmagnet, aber auch eine Ein- richtung, die die Attraktivität der Burg insgesamt erhöht – zusammen mit der Jugendherberge, dem Burgrestaurant, dem Musikantenlandmuseum und zahlreichen Freiluftgroßveranstaltungen auf der Burg. Das Geoskop ist das wichtigste Infozentrum zur Erdgeschichte der Pfalz und insbesondere für seine Ferienprogramme äußerst beliebt.

Dr. Sebastian Voigt
ERDGESCHICHTE Das Urweltmuseum Geoskop (großes Foto oben) ermöglicht eine Reise in die „Ur-Pfalz“. Dr. Sebastian Voigt leitet die geowissenschaftliche Zweigstelle des Pfalzmuseums für Naturkunde auf der Burg Lichtenberg. Foto: Privat

Warum ist der Remigiusberg bei Kusel heute ein Hotspot für paläontologische Entdeckungen?

Der Remigiusberg ist eine Fossilfundstelle von Weltrang. Sie beherbergt nicht nur die ältesten Saurier Deutschlands, sondern zählt auch global zu den produktivsten Fundstellen mit Knochen und Skeletten früher Vierfüßer. Diversität und Qualität der Fossilien sind außergewöhnlich. Wie es zu der Anhäufung so vielfältiger und oft exzellent erhaltener Fossilien am Remigiusberg gekommen ist, wird aktuell noch untersucht. Es sind aber wohl vor allem drei Faktoren ausschlaggebend: der ehemalige Lebensraum – ein tropisches Flussdelta von beachtlicher Größe –, die damaligen klimatischen Gegebenheiten – Monsunklima, das heißt Wechsel von Regen- und Trockenzeit im Jahresverlauf – und die heutigen Aufschlussverhältnisse – ein aktiver Steinbruch von etwa zwei Kilometern Länge.

Schmelzschupper
SCHMELZSCHUPPER Fossilien dieser Knochenfische sind im Unterperm der Pfalz häufig zu finden. Foto: Urweltmuseum Geoskop

Was macht die Suche nach Fossilien in der gesamten Pfalz so spannend?

Die Pfalz ist sehr reich an Fossilien, vor allem an Resten von Tieren und Pflanzen aus dem späten Erdaltertum und frühen Erdmittelalter. An der Wende vom Erdaltertum zum Erdmittelalter vor rund 250 Millionen Jahren, der sogenannten Perm-Trias-Grenze, hat das bisher größte bekannte Massensterben der Erdgeschichte stattgefunden, bei dem bis zu 90 Prozent aller Arten ausgestorben sind. Die Gesteine der Pfalz bieten die Möglichkeit, das damalige Leben auf dem Festland vor und nach dem großen Aussterbeereignis zu studieren und zu rekonstruieren. Da die Pfalz im späten Erdaltertum zunächst am Äquator und später im Erdmittelalter etwa auf der Höhe der heutigen Sahara lag, eröffnen sich mit den Untersuchungen völlig andere Welten. Erdgeschichtliche Forschungen sind hier Zeitreisen der besonderen Art – und jeden Tag kann man etwas entdecken, was kein Mensch vorher zu Gesicht bekommen hat.

Erdgeschichte in der Pfalz

Der Pfälzerwald, die Weinberge, die Rheinebene: Eine Vielzahl geologischer Prozesse formte über Hunderte Millionen Jahre hinweg die heutige Landschaft der Pfalz. „Während des Devon lag Rheinland-Pfalz südlich des Äquators, bevor es im Perm Teil des Superkontinents Pangäa wurde und auf die Nordhalbkugel wanderte“, beschreibt die erdgeschichtliche Denkmalpflege der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz die wechselhafte Vergangenheit des gesamten Bundeslandes. „Im Laufe von Jahrmillionen wurde seine Landschaft geprägt von tropischen Wäldern, eiszeitlichen Steppen und weiten Wüsten. Und mehrfach lag es nach Meeresvorstößen am Grund von Ozeanen.“

Allerdings gebe es erst ab dem Zeitalter des Devon vor mehr als 400 Millionen Jahren Ablagerungen mit reich-haltiger Fossilführung, die bis in das Quartär reichen. „Diese Abfolge ist nicht lückenlos. Manche Sediment-schichten wurden später wieder durch geologische Vorgänge zerstört. Andere liegen so tief unter der Erde, dass eine Erforschung kaum möglich ist.“

In der Pfalz finden sich überwiegend Gesteine des Karbon und Perm (die Zeit vor ca. 358 bis 250 Millionen Jahren) im Saar-Nahe-Becken, zu dem das Nordpfälzer Bergland zählt, aus der darauffolgenden Trias-Zeit die Ablagerungen des Buntsandsteins und Muschelkalks im Pfälzerwald (Pfälzer Mulde) und die geologisch jungen Sedimente im Oberrheingraben der Tertiär- und Quartär-Zeit.

Wo sind weitere Forschungsstellen?

Neben dem Remigiusberg forschen wir momentan vor allem im Zechstein, dem jüngsten Abschnitt des Erdaltertums, an der Madenburg bei Eschbach in der Südpfalz, sowie im Rheinbett zwischen Nierstein und Nackenheim in Rheinhessen. Dort ist die Spurenfossillagerstätte des höchsten Rotliegend. Alle anderen Arbeiten betreffen eher größere Gebiete wie den Zechstein der Nord- und Westpfalz und den Buntsandstein des Pfälzerwaldes.

Die „Weißen Haie“ der Pfalz, urzeitliche Süßwasserhaie, gehören zu den populärsten Funden der Region. Wo wurden diese Fossilien entdeckt?

Die „Weißen Haie“ der Pfalz stammen vor allem aus Rockenhausen und Niederkirchen im Landkreis Kaiserslautern. Dort finden aktuell keine Grabungen statt. Eine wichtige Fundstelle für Rotliegend-Haie ist auch die Gegend um Lebach im Saarland, wo das Pfalzmuseum 1992 und 1993 größere Grabungen durchgeführt hat. Die „Weißen Haie“ der Pfalz wurden als komplette Tiere erstmals 1978 am Geisberg bei Rockenhausen entdeckt, Anfang der 1980er-Jahre dann in Niederkirchen bei Kaiserslautern. Bereits 1981 sind zwei Hai-Fossilien von Privatleuten für 150.000 DM nach Japan verkauft worden. Danach hat ein Run auf die urzeitlichen Haie der Pfalz eingesetzt und das Land hat den Ausverkauf des erdgeschichtlichen Erbes gefürchtet.

„Weißer Hai“

Weißer Hai
Foto: Urweltmuseum Geoskop

Der „Weiße Hai“ aus der Pfalz ist kein Weißer Hai im heutigen, biologischen Sinne. Die Bezeichnung bezieht sich auf die auffällig helle, fast weiße Färbung des Fossils. Sie entstand, weil es durch heiße, aufsteigende Lava im Gestein erhitzt wurde. Die Funde stammen aus der sogenannten Rotliegendzeit, einer Epoche der frühen Permzeit, in der in der Pfalz tropisches Klima herrschte und vulkanische Aktivitäten das Gebiet prägten.

Wie wurde darauf reagiert?

Um der Raubgräberei Einhalt zu gebieten, wurde 1986 das Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz auf Fossilien erweitert. Seit Oktober 1986 werden wissenschaftlich bedeutsame Fossilien aus Rheinland-Pfalz mit Entdeckung automatisch zum Eigentum des Landes. Private Bergungen und der Handel mit Fossilien aus der Pfalz, die nach Oktober 1986 entdeckt wurden, sind somit illegal. Die im Netz angebotenen Fossilien aus der Pfalz sind Altfunde oder werden zumindest als solche deklariert. Gezielt nach Fossilien graben dürfen in der Pfalz nur Geologen und Paläontologen in Kooperation oder im Auftrag der erdgeschichtlichen Denkmalpflege der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE). Alle erdgeschichtlichen Forschungen des Geoskops erfolgen im Rahmen von Kooperationsverträgen mit der GDKE.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Fossilien von Privatpersonen zufällig, etwa auf Wanderungen oder beim Hausbau, in der Pfalz entdeckt werden?

In vielen Ablagerungsgesteinen, den Sedimenten, kann man in der Pfalz zufällig Fossilien finden. Hier gibt es unzählige ungewöhnliche Entdeckungsgeschichten. Die Klassiker dabei sind Funde in der Baugrube vom Wohnhaus oder beim Gassigehen mit Hund. Da theoretisch jeder Fund ein einzigartiger Puzzlestein für die Rekonstruktion der Erd- und Lebensgeschichte sein kann, ist es wichtig, Fossilfunde ausgewiesenen Expertinnen und Experten zu melden. So sollten zunächst die Denkmalfachbehörde, also die GDKE, Denkmalschutzämter der Kreisverwaltungen oder kommunale Verwaltungen verständigt werden. Genau genommen, besteht dazu sogar eine gesetzliche Pflicht.

Was ist ein Fossil?

Ein Fossil – von lat. „fossilis“ (ausgegraben) – ist ein mindestens 10.000 Jahre altes Überbleibsel oder eine Spur eines vergangenen Lebewesens, das im Gestein erhalten geblieben ist. Es kann sich um echte Körperteile (etwa Knochen, Zähne, Blätter oder Schalen), Abdrücke (zum Beispiel Fuß- und Fraßspuren) oder andere Spuren (beispielsweise Kot) handeln. Fossilien entstehen, wenn Überreste von Organismen nach deren Tod schnell von Sedimenten (etwa Schlamm) bedeckt werden und so vor Zersetzung geschützt sind. Im Laufe der Zeit werden die organischen Materialien durch Mineralien ersetzt oder hinterlassen Abdrücke im Gestein.

Fossilien liefern wichtige Informationen über ausgestorbene Arten, die Entwicklung des Lebens und die Umweltbedingungen vergangener Erdzeitalter. Sie sind die wichtigste Quelle, um die Geschichte des Lebens auf der Erde zu rekonstruieren. Fast überall in Rheinland-Pfalz finden sich Gesteine und Fossilien aus unterschiedlichen Abschnitten der Erdgeschichte.

Von lebenden Fossilien spricht man dann, wenn es sich um heute noch existierende Arten handelt, die sich über sehr lange Zeiträume hinweg kaum verändert haben. In der Pfalz steht so ein lebendes Fossil beispielsweise im Weingut Fitz-Ritter in Bad Dürkheim: ein mindestens 250 Jahre alter Ginkgo-Baum.

Wie geht es dann mit dem Fossilienfund weiter?

Die Fachleute begutachten und bewerten den Fund hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Bedeutung. Sollte der Fund von entsprechender Bedeutung sein, werden in Kooperation mit der GDKE gezielte Nachforschungen an Ort und Stelle durchgeführt, bzw. die Funde in Kooperation mit der GDKE von Spezialisten untersucht. Alle Objekte von wissenschaftlicher Bedeutung werden letztlich mit Vergabe einer Inventarnummer der Landessammlung für Naturkunde in Mainz offiziell Eigentum des Landes. Die ehrenamtliche Mitarbeit von wissenschaftlich orientierten Laien ist auch in der Erdgeschichtsforschung erwünscht. Denn nur gemeinsam können wir die so spannende Geschichte der Erde und des Lebens erforschen und damit Antworten auf die Fragen erhalten, woher wir kommen und wohin wir gehen.

Urweltmuseum Geoskop
ERSTER SAURIER Der Fokus der Arbeit am Geoskop liegt auf der Erforschung der Lebenswelt der Pfalz vor 300 Millionen Jahren. Foto: Urweltmuseum Geoskop

Darum dreht sich auch die neue Sonderausstellung im Geoskop: „Amphibien – Wunder der Evolution“. Welche Höhepunkte bietet die Sonderausstellung?

An sich besteht die Ausstellung nur aus Highlights, weil wir uns bei 150 Quadratmetern Sonderausstellungsfläche thematisch stark beschränken müssen. Zweifellos lebt die Ausstellung von sieben großformatigen und originären Paläoillustrationen, die aus einer Hand stammen und auf die Ausstellung und ihre Objekte exakt abgestimmt sind. Insgesamt präsentieren wir 36 Lebendmodelle, von denen die Mehrzahl im Hause geschaffen wurde und mithin Unikate sind. Insgesamt beinhaltet die Schau rund 80 Exponate, das sind Fossilien, Skelettrepliken und Modelle. Beliebt sind die diversen Mitmachstationen, allen voran eine Frosch-Rallye.

Ausflugstipps

Sonderausstellung „Amphibien – Wunder der Evolution“, Urweltmuseum Geoskop, Burg Lichtenberg, Kusel, bis zum 12. April 2026 zu den üblichen Öffnungszeiten

Auf dem „Geopfad Fladensteine bei Bundenthal“ informieren Schautafeln entlang
des etwa einstündigen Rundweges über die unterschiedlichen Epochen der Erdgeschichte und die Gesteine der Pfalz.

Das Paläontologische Museum Nierstein mit vielen regionalen Fossilien

Ein Amphibienfund aus der Pfalz hat vergangenes Jahr besonders für Furore gesorgt. Stenokranio boldi. War er der Auslöser für die Schau?

Zumindest ein gewichtiges Argument, eine Amphibien-Sonderausstellung zu realisieren. Mindestens so entscheidend waren jedoch zwei weitere Aspekte: In unseren Sammlungen liegt sehr viel Material zu fossilen Amphibien. Und eine, wenn auch nur schlaglichtartige, Reise durch die Evolution der Amphibien als Sonderausstellung ist uns nicht bekannt gewesen – also letztlich auch der Reiz, etwas Neues zu schaffen.

Stenokranio boldi

Stenokranio boldi
Foto: Urweltmuseum Geoskop

Stenokranio boldi ist eine neu entdeckte, ausgestorbene Ursaurierart, die vor etwa 300 Millionen Jahren im Gebiet der heutigen Westpfalz lebte. 2013 und 2018 hat das Urweltmuseum Geoskop Remigiusberg zwei Schädel und Teile des weiteren Skeletts gefunden, auf deren Grundlage ein internationales Forschungsteam die neue urzeitliche Spezies beschreiben konnte. Die Fossilienfunde sind in ihrer Erhaltung und Bedeutung einzigartig für Europa.

2024 wurde der Fund der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Tier wurde bis zu eineinhalb Meter lang, wog etwa 70 Kilogramm und war eines der größten Raubtiere seiner Zeit. Es handelte sich um ein amphibisch lebendes Tier, das sowohl im Wasser als auch an Land jagen konnte und sich von Fischen sowie anderen Ursauriern ernährte. Die Art besetzte in der damaligen tropischen Fluss- und Seenlandschaft die ökologische Nische, die später von Krokodilen eingenommen wurde – lange bevor diese überhaupt existierten.

„Der Gattungsname des Tieres nimmt darauf Bezug, dass Stenokranio im Vergleich zu seiner nordamerikanischen und europäischen Verwandtschaft einen etwas schmaleren Schädel hat. Mit dem Artnamen wird – posthum – Rudolf Bold aus Rammelsbach geehrt, der 2004 das erste Fossil eines großwüchsigen, landlebenden Kuseler Ursauriers im Rammelsbacher Steinbruch entdeckt hat“, heißt es dazu auf der Geoskop-Website. Die von Stenokranio bekannten Reste seien sehr gut erhalten und haben eine recht fundierte Rekonstruktion des Amphibien-Körpers erlaubt. „Unerwartet große Aufmerksamkeit erfuhr die von dem in Oberbayern lebenden Paläontologen und Illustrator Frederik Spindler geschaffene Lebendrekonstruktion des Tieres in den Sozialen Medien.“

Wie ist der Stenokranio boldi im Geoskop integriert?

In der Sonderausstellung wird das Fossil im Original präsentiert. Dort ist es in den Kontext zu seiner nächsten Verwandtschaft aus Nordamerika und Europa gestellt sowie ökologisch mit dem in Südamerika beheimateten, lebenden Breitmaulkaiman verglichen. Wir zeigen, wie die Verwandtschaftsverhältnisse der krokodilähnlichen Großamphibien des Erdaltertums sind, wo die Tiere gelebt haben und wo ihre Reste als Fossilien gefunden worden sind. Den zweiten „Boldi“-Schädel vom Remigiusberg können wir nicht zeigen, da er ab Herbst in einer Saurier-Sonderausstellung unseres Kooperations- und Forschungspartners, den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, gezeigt wird.

Stenokranio boldi
SPITZENPRÄDATOR Der amphibisch lebende Stenokranio boldi erlegte seine Beute sowohl im Wasser als auch in Ufernähe. Foto: Urweltmuseum Geoskop

Welche positiven Effekte hatte und hat der Fund für die Pfalz?

Stenokranio, wirklich populär ist das Tier unter seinem Artnamen „Boldi“, hat die Fundstelle am Remigiusberg, die Stadt Kusel und das Geoskop sehr viel bekannter gemacht. Von und über „Boldi“ gibt es Bücher, Kuscheltiere, Magnete, Postkarten, Stiftboxen und so weiter. Es kommen Menschen gezielt wegen „Boldi“ ins Museum, das Kuscheltier wurde von der erdgeschichtlichen Denkmalpflege Rheinland-Pfalz entwickelt und eine „Boldi“-Comicfigur wird künftig als Maskottchen durch die Kuseler Landkreis-App führen. Dass die „Kuseler Ursaurier“ wie „Boldi“, die übrigens die ältesten Saurier Deutschlands repräsentieren, als regionaler und überregionaler Werbeträger begriffen werden, macht uns besonders glücklich.

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Pfälzer Fossilien:

Umfangreiche Sammlung mit regionalem Schwerpunkt

Im Paläontologischen Museum Nierstein sind etwa 2000 Fossilien zu sehen.

Paläontologisches
Museum Nierstein
Fotos: Kathrin Engeroff

Harald Stapf, Museumsleiter des Paläontologischen Museums in Nierstein (Landkreis Mainz-Bingen), und das Team des dazugehörigen Fördervereins denken nicht in heutigen regionalen Grenzen. „Wir machen bei unseren Ausstellungsstücken keinen Unterschied zwischen Rheinhessen und Pfalz“, sagt Stapf. Vielmehr sind die Funde in geologische Zeitabschnitte eingeteilt und Fossilien aus beiden Regionen werden der Rotliegendzeit zugeschrieben. Von etwa 302 bis 257 Millionen Jahren vor heute dauerte diese Epoche des Erdaltertums, die den älteren Teil des Perms in Mitteleuropa umfasst. Der Begriff „Rotliegend“ stammt von der typischen rötlichen Färbung der dort abgelagerten Gesteine, die durch eisenhaltige Minerale verursacht wird. „Odernheim, Niedermoschel, Niederkirchen – das befindet sich alles im Rotliegenden im Saar-Nahe-Becken, das vom Rhein im Osten Rheinhessens bis hinter das Saarland reicht. Das genaue Ausmaß ist nicht bekannt“, fügt Stapf hinzu. Deshalb nicht, weil diese Erdschichten aus dem Perm nicht überall durch tektonische Plattenbewegungen nach oben gedrückt wurden. „Um an das Gestein zu gelangen, das bei uns oben liegt, müsste man über dem Rhein in Hessen ein paar hundert Meter tief graben.“ Im Niersteiner Museum werden regionale Fossilien aus dem Rotliegenden in zwei Ausstellungsräumen präsentiert. Darunter auch die Überreste eines Branchiosauriers. Die urzeitliche Amphibie lebte 100 Millionen Jahre vor den ersten Dinosauriern und gehört zu den fünffingrigen Kiemenlurchen. Gefunden wurde das Fossil von Arnulf Stapf, dem Gründer des Museums und Harald Stapfs Vater, in Odernheim, 1967 wurde es von Wissenschaftlern beschrieben und bei der Museumsgründung 1973 zu dessen Emblem auserkoren.

Weißer Hai
Harald Stapf
HOBBY-PALÄONTOLOGE Harald Stapf leitet das Museum. Der „Weiße Hai“ (Foto oben) wurde im westpfälzischen Niederkirchen geborgen.

Neben urzeitlichen Amphibien sind in den Vitrinen und an den Wänden regionale Fossilien von Fischen, Pflanzen und Insekten zu bestaunen. Und staunen ist dabei vollkommen ehrlich gemeint. Zum einen stehen Besucher ehrfürchtig vor diesen Zeugnissen längst vergangenen Lebens, die uns einen einzigartigen Einblick in die Erdgeschichte schenken. Zum anderen handelt es sich um eine außergewöhnliche, umfangreiche Sammlung, die das Vater-Sohn-Gespann sowie befreundete Sammler als Hobbypaläontologen zusammengetragen haben. Die Ausstellung zeigt eine enorme Arten- und Formenvielfalt von wissenschaftlicher Qualität. Insgesamt sind etwa 2000 Fossilien zu sehen. Im ersten, großen Ausstellungsraum des Museums sind europäische Fossilien aus den verschiedenen Erdzeitaltern vom Kambrium bis zum Tertiär ausgestellt. Fossilien aus dem Tertiär des Mainzer Beckens, aus der Zeit, in der das heutige Rheinhessen von einem Meer bedeckt war, werden in einem vierten Ausstellungsraum präsentiert. „Das Zeug riecht ja noch“, sagt der Sammler humorvoll über diese Fossilien, die „erst“ 66 Millionen bis 2,6 Millionen Jahre alt sind.

Paläontologisches Museum Nierstein
FUNDGRUBE Das Museum in Nierstein zeigt mehr als 2000 originale Fossilien. Einen Schwerpunkt bilden Funde aus der Nordpfalz und Rheinhessen.

Das Museum lebt von der persönlichen Atmosphäre, die Harald Stapf und das Museumsteam den Besuchern bieten. Wer möchte, bekommt zu jedem Fund die geologische, regionale und wissenschaftliche Geschichte dahinter erzählt. Da ist zum Beispiel die älteste Eintagsfliege Mitteleuropas, die nach ihrem Finder „Arnulfias Stapfi“ benannt wurde. Oder der Zahn eines Süßwasserhais, der bei einer Dachsanierung im Zement des Firsts entdeckt wurde. Wichtig ist Harald Stapf zu betonen, dass das von seinem Vater privat initiierte Museum von Beginn an eng mit der Wissenschaft zusammenarbeitete und bereits mehr als 50 Forschende aus aller Welt mit Stücken aus der Niersteiner Sammlung gearbeitet haben. „All die Fossilien hier wären ohne private Sammler verloren, weil sie nie gesehen worden wären.“

Das Paläontologische Museum ist im historischen Alten Rathaus von Nierstein untergebracht und wird durch einen gemeinnützigen Förderverein unterstützt, der Eintritt ist frei.

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Pfälzer Märkte

Orte für alle Sinne

Regional, frisch, bunt und gesund – das macht die Produkte auf den Pfälzer Wochenmärkten aus. Sie ziehen seit jeher Menschen aus Stadt und Umland an. Nicht nur des Angebots der Direktvermarkter wegen, sondern auch weil es sich hier so herrlich verweilen und austauschen lässt. Ein Eintauchen in das Erlebnis Wochenmarkt – heute wie damals.

Gemüsestand
Foto: Joachim Ackermann/view

Bunte Farben soweit das Auge reicht. Hier ein Lachen, dort ein freundliches „Hallo“, lebhaftes Stimmengewirr. An einem Stand duftet es nach Blumen, an einem anderen nach Gewürzen – Wohlfühlatmosphäre nennt es Sonja Brunner-Hagedorn. Sie ist seit 14 Jahren die Marktmeisterin des Landauer Wochenmarktes, auf dem wie jeden Samstag auch heute reges Treiben herrscht. „Gerade am Wochenende hat unser Markt auf dem Rathausplatz im Herzen der historischen Innenstadt seinen besonderen Charme und zieht Jung wie Alt an. Viele Familien kommen erst hierher und gehen dann weiter in die Stadt zum Bummeln oder ins Café“, berichtet die 53-Jährige. Für zahlreiche Landauer sei der Wochenmarkt nach wie vor ein wichtiger Aufenthaltsort.

Gewürze auf dem Markt
BANDBREITE Von frischem Gemüse (großes Foto oben) bis zu abgepackten Gewürzen reicht das Angebot auf dem Markt in Landau. Foto: Friederike Krauß

Genussreiche Vielfalt

Das Warenangebot ist breit aufgestellt. Von Obst- und Gemüse über Backwaren, Wurst und Fleisch, Fisch und Käse bis zu französischen Spezialitäten – es fehlt an nichts. 45 Markthändler, sogenannte Beschicker, sind hier vertreten. „Wir sind stark besetzt und für Neubewerber ist aktuell kein Platz“, sagt Brunner-Hagedorn. Im Laufe der Zeit ändere sich aber immer mal etwas. Beispielsweise wenn Händler in den Ruhestand gehen. Diese Chance ergriff auch Michaela Frahry, als vor 16 Jahren ein neuer Gewürzstandbetreiber gesucht wurde. Seitdem bietet sie Woche für Woche dienstags und samstags auf dem Landauer Rathausplatz auf ihrer zwölf Meter langen Standfläche rund 250 Gewürze an.

Sonja Brunner-
Hagedorn
Sonja Brunner-Hagedorn. Foto: Christoph Bauer

Angenehmes Miteinander

Die veganen und naturreinen Produkte – also ohne Zucker und Zusatzstoffe – bezieht sie von einem Hauptlieferanten aus Bayern. Spezialität an ihrem Stand ist Kastanienmehl. „Das ist sehr beliebt und meist mittags ausverkauft“, erklärt die 70-Jährige. Sie hat viele Stammkunden, begrüßt aber auch Touristen, die immer wieder kommen. „Die Landauer Kunden sind besonders nett. Ebenso schätze ich das angenehme Miteinander mit den Kollegen.“

Michaela Frahry
Michaela Frahry. Foto: Friederike Krauß

Der Kunde im Fokus

Ähnlich geht es Cengiz Bozkurt. Der Feinkosthändler kommt aus Karlsruhe und nimmt gerne in Kauf, um 2 Uhr in der Nacht aufzustehen, um ab 4 Uhr alles für seine Kunden vor Ort bereitzustellen: Oliven einlegen, frische Brote vorbereiten, sodass er ab 7 Uhr fertig für den Verkauf ist. „Landau ist schon 1A. Ich bin mit jedem Kunden per Du. Die sind warmherzig. Ich komme hier einfach besonders gerne hin“, schwärmt er. Sein Vater führte den Stand jahrelang, bis ihn Cengiz Bozkurt 2018 übernahm. An den anderen Tagen ist er auf Wochenmärkten im Rhein-Main-Gebiet unterwegs. Beim Verkauf unterstützen ihn zwei bis sechs Aushilfen. „Wir dürfen hier immer was probieren und lieben die Frische der Produkte“, ruft ein Stammkunde, der in der Schlange vor dem Stand wartet. Bozkurt nimmt es mit einem Lächeln auf den Lippen und betont, wie wichtig ein gutes Miteinander sowie das Eingehen auf Kundenwünsche ist. „Das gehört einfach dazu.“

Nicht ohne Richtlinien

Hinter der Marktidylle stecken harte Arbeit sowie gutes Wirtschaften. Denn nicht jeder Markttag ist gleich. Das Wetter kann den Händlern einen Strich durch die Rechnung machen und auch die Wochentage spielen eine Rolle. So kommen dienstags generell weniger Menschen auf den Markt – oft nur kurz vor oder nach der Arbeit für schnelle Erledigungen. Einige Beschicker bieten ihre Ware daher nur samstags an. Die Kosten für die Jahreszulassung je Stand pro laufendem Meter ist jedoch für dienstags und samstags zu zahlen, Strom und Wasser kommen dazu. So ist es in nahezu jeder Marktordnung in der Pfalz festgelegt. Zudem erhalten die Händler mit der Zulassung die Teilnahmerichtlinien, in denen verschiedene Regularien festgelegt sind. Beispielsweise wann sie ihren Stand auf- und abbauen dürfen, die Nachtruhe der Anwohner berücksichtigen oder den Marktplatz pünktlich verlassen müssen, damit die Reinigung ordnungsgemäß stattfinden kann. „Wenn jeder machen könnte, was er wollte, ginge es ja drunter und drüber“, erklärt Marktmeisterin Brunner-Hagedorn.

Wochenmarkt in Landau
ATTRAKTION Der Landauer Wochenmarkt auf dem Rathausplatz ist ein Anziehungspunkt mit Charme. Foto: Stadtverwaltung Landau

Marktgericht bei Streitigkeiten

Regelungsschriften gibt es seit den ersten Erwähnungen von Wochenmärkten. Darüber hinaus gab es früher sogar ein Marktgericht, das bei Streitigkeiten einschritt und für Recht und Ordnung sorgte. Das sollte vermeiden, dass jemand übers Ohr gehauen wurde, weiß Dr. Sabine Klapp, Direktorin des Instituts für Pfälzische Geschichte und Volkskunde (IPGV) in Kaiserslautern. „Gleichzeitig trat das Marktrecht, das oft von Kaisern oder Königen verliehen wurde, zusammen mit dem Münzrecht auf.“

Erste Märkte im Mittelalter

Die Geschichte der Märkte in der Pfalz geht bis ins Mittelalter zurück. Zu den genauen Anfängen lässt sich teils nur spekulieren. Speyer und Kaiserslautern finden im 10. Jahrhundert erste Erwähnungen. In Bad Dürkheim gab es ebenfalls seit dem Mittelalter einen Markt. Im 13. Jahrhundert wurden dort – neben Waren wie Brot, Käse, Kirschen, Knoblauch, Kraut, Wachs und Salz – auch Vieh gehandelt sowie Produkte der ortsansässigen Handwerker. In Landau war das Recht, einen Wochenmarkt abhalten zu dürfen, einer der zentralen Inhalte der Stadtrechtsverleihung im Jahr 1274. Märkte wurden am Mittwoch gestattet. In späterer Zeit sind die Markttage nach und nach ausgeweitet worden, außerdem etablierten sich Sondermärkte.

Historische Aufnahme des Landauer Wochenmarkts
HISTORIE Die Geschichte der Märkte, hier eine Aufnahme aus Landau Anfang des 20. Jahrhunderts, reicht bis ins Mittelalter zurück. Quelle: Stadtarchiv Landau

Börse für Klatsch und Tratsch

„Märkte waren damals ein städtisches Phänomen mit Ausstrahlung bis ins Hinterland“, erklärt Barbara Schmidt, Leiterin der Abteilung Pfälzische Volkskunde im IPGV. Auf dem Land versorgten sich die Menschen meist selbst. In der Stadt hingegen war man auf den Wochenmarkt angewiesen. Märkte waren oft die einzige Möglichkeit, um Lebensmittel, Stoffe oder Gewürze zu erwerben. „Außerdem war es ein wichtiger Treffpunkt; sowas wie eine Börse für Klatsch und Tratsch, da es damals keine Medien gab“, weiß Schmidt. Dazu reisten die Händler und auch andere Menschen in die Stadt, übernachteten, trieben so die Wirtschaft an – der Wochenmarkt spielte auch ökonomisch eine Rolle. Schon damals waren die Marktplätze zentrale Orte, die mit Bedacht strategisch gut gelegen waren.

Holz-, Tuch- und Wollmarkt

Zu den Wochenmärkten fanden unregelmäßig Spezialmärkte statt, auf denen Vieh, Krämerwaren oder Schuhe angeboten wurden. So kann ein Holzmarkt seit Ende des 16. Jahrhunderts in Germersheim nachgewiesen werden, in Selz ein Tuchmarkt sowie in Frankenthal ein Wollmarkt (Quelle: Karl Otto Bull: „Verkehrswesen und Handel an der mittleren Haardt bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“, Speyer 1965). „Die Notwendigkeit eines Wochenmarkts war damals eine ganz andere. Neben dem Versorgungsgedanken war er als Ort der Kommunikation früher viel relevanter als heute. Er hatte so etwas wie einen Eventcharakter im damals meist doch häufig tristen Alltag“, berichtet Dr. Sabine Klapp. Auch heute sei der Anziehungspunkt als Austausch nicht zu unterschätzen, habe für viele Menschen nach wie vor große Relevanz.

Ort der Freundschaft

Dem kann Johannes Goyert nur beipflichten. Er beobachtet seit Jahren, dass sich viele Kunden Woche für Woche mit den gleichen Menschen zur gleichen Zeit auf dem Grünstadter Wochenmarkt treffen. Teilweise seien durch den Markt Freundschaften entstanden – nicht nur unter den Besuchern. „Auch manch langjährige Kunden sind Freunde geworden, ebenso wir Beschicker untereinander. Man kommt ja immer wieder ins Gespräch, erfährt etwas übereinander“, erzählt Goyert. Der 44-Jährige freut sich daher jeden Samstag, mit seinem Obst- und Gemüsestand aus biologisch-dynamischer Landwirtschaftsproduktion nach Grünstadt zu kommen. „Der Markt ist klein, aber fein“, meint er. Elf Händler finden sich insgesamt auf dem extra für den Markt gebauten Carrières-sur-Seine-Platz ein. Grünstadt tue etwas für die Erhaltung des Marktes. Er sei gut in die Stadt integriert, so der Landwirt.

Johannes Goyert
AUSTAUSCH Johannes Goyert kommt an seinem Stand auf dem Wochenmarkt in Grünstadt mit Kunden ins Gespräch. Foto: Friederike Krauß

Nachhaltigkeit im Vordergrund

Hineingeboren in den Familienbetrieb, lebt er die biologische Landwirtschaft mit allem, was dazugehört und gibt das auch gerne und guten Gewissens an seine Kunden weiter. „Manchmal gebe ich mit meinem Gemüse ein Rezept mit an die Hand. Kontakte pflegen, gehört für mich einfach dazu“, sagt der zweifache Familienvater. Dementsprechend schwer tue er sich mit dem anonymen Einkaufen im Supermarkt und dem monotonen Piepen an der Kasse. Zudem könne man sich auf dem Markt sicher sein, woher die Produkte kommen und dass sie frisch sind. Weiterer Pluspunkt für ihn: das Einsparen von Müll. Denn die Ware wird lose verkauft. Viele Kunden kommen mit eigenen Taschen. Nach Möglichkeit werden nur Papiertüten angeboten.

Kalkulieren wird schwerer

Johannes Goyert gibt aber auch zu bedenken, dass sich nicht jeder das Einkaufen auf dem Markt leisten kann oder will. „Kalkulieren ist für uns tatsächlich nicht einfach und wird tendenziell schwerer“, erklärt der Marktbeschicker. Neben der Bereitschaft, für frische Lebensmittel etwas mehr Geld auszugeben, können unberechenbare Komponenten wie Jahreszeiten – also Hitze oder Kälte –, die Wirtschaftslage oder Lebensmittelskandale hinzukommen; mal abgesehen von den Herausforderungen des demografischen Wandels und einem veränderten Kaufverhalten der Verbraucher.

Geschäft nicht immer einfach

Die Herausforderungen im Marktgeschäft kennt Maarten Rabe aus Böhl-Iggelheim nur zu gut. Seit etwa zehn Jahren kommt er mit seinem Wagen auf den Grünstadter Wochenmarkt und verkauft frischen Fisch. „Das Geschäft ist die letzten Jahre ein Auf und Ab und nicht immer einfach“, verrät er. Für sechs Stunden Verkauf auf dem Markt arbeitet er mit Vor- und Nachbereitung gute zehn Stunden. An manchen Samstagen sei bis 10 Uhr kaum etwas los. Auf den anderen Märkten, auf denen er seine Ware verkauft, wie in Wörth, Maxdorf, Waldsee, Böhl-Iggelheim, Speyer, Mutterstadt und Haßloch, sei es nicht anders. Dennoch hofft er wie andere Beschicker, dass Wochenmärkte Bestand haben. „Manche Familien kenne ich schon 30 Jahre“, so Maarten Rabe. Das sei einfach etwas Besonderes.

Marktplatz in Grünstadt
Marktstand in Kaiserslautern
TREFFPUNKTE Die Marktstände in Grünstadt (oberes Bild) und Kaiserslautern sind mehr als eine Einkaufsmöglichkeit. Fotos: Friederike Krauß

Seit Kindheitstagen dabei

Den Wandel der Zeit spüren auch die Händler in Kaiserslautern. Obst- und Weinbauer Christian Fink kennt den Wochenmarkt in Kaiserslautern schon aus Kindheitstagen. Als kleiner Junge begleitete er regelmäßig seine Großeltern mit ihrem Stand. „Meine Oma hat mal gefragt: ,Willst du Koch, Metzger oder Winzer werden?‘“, erinnert sich der 41-Jährige lachend. Entschieden hat er sich für Winzer sowie Obst- und Gemüsehändler. Sein Stand umfasst 23 Meter Länge. Dort präsentiert er ein üppiges Angebot an Obst und Gemüse sowie Wein und saisonal auch Honig, außerdem Sonnenblumen, die sein Schwager produziert. „Meine Oma hat früher teils nur Äpfel angeboten, die waren mittags alle ausverkauft. Davon kann man heute nur träumen“, gibt Fink zu bedenken. Nach einem langen Markttag bringt er seine nicht verkaufte Ware zurück ins Kühlhaus nach Leistadt. In der Sommerzeit sei es oft einiges, das übrigbliebe. Dennoch kann auch er sich ein Leben ohne Wochenmarkt in Kaiserslautern nicht vorstellen.

Christian Fink
ÜPPIGES ANGEBOT Christian Fink ist in Kaiserslautern regelmäßig vor Ort. Foto: Friederike Krauß

Lange Tradition in Kaiserslautern

Kaiserslautern hat eine lange Markttradition. Die erstmalige Erwähnung des Marktrechts geht bis ins Jahr 985 zurück. Damals fanden die Märkte auf dem Altenhof statt. Der heutige Marktplatz vor der Stiftskirche wurde 1321 zum ersten Mal erwähnt. Hier findet der Wochenmarkt inzwischen dienstags und samstags mit 43 Händlern statt, donnerstags zusätzlich mit etwa 15 Beschickern auf dem Königsplatz in der Königsstraße. Rund 150 Markttage pro Jahr gibt es in Kaiserslautern. Die meisten Händler kommen aus dem unmittelbaren Umland und der Vorderpfalz. „Die Anwesenheit der Händler schwankt allerdings wetter- und saisonbedingt“, erklärt Marktmeister Dietmar Keller.

Umgang mit Kunden wichtig

Als der gebürtige Pfälzer 2009 Marktmeister in Kaiserslautern wurde, habe er schnell erfahren, dass die Händler ein ganz eigenes Völkchen seien, ihre eigenen Ansichten hätten. So bestimmt laut Marktsatzung eigentlich Keller, wo welcher Stand auf dem Markt steht. „Allerdings nur in der Theorie“, so der 51-Jährige. Denn als er kurz nach seinem Beginn als Marktmeister die Idee hatte, Stände zwecks Logistik umzustellen, spürte er starken Gegenwind. „Da war gar nichts zu machen bei den Händlern. Der Widerstand war wirklich groß“, erinnert sich Keller. Die Begründung der Beschicker: Ihre Kunden würden sie dann nicht mehr finden und denken, sie seien nicht mehr da. Selbst bei fünf Metern Standverschiebung sei das der Fall. „Ich habe gelernt, dass der Umgang mit den Kunden sehr wichtig ist und Veränderung zu großem Ärger führen kann“, lenkte Keller ein, und alles blieb beim Alten.

Marktmeister Dietmar Keller
Dietmar Keller. Foto: Stadtverwaltung Kaiserslautern

Schaufenster einer Genussregion

Hier ein Witzeln, dort eine kurze Unterhaltung – wenn Keller über den Markt geht, kann das durchaus dauern. Beziehungen pflegen gehört für ihn als Marktmeister dazu. Heute schätzt er das gute Verhältnis zu den Händlern. Ebenso ihre Leistung, die sie Tag für Tag erbringen. „So ein Wochenmarkt ist schon ein großer Aufwand bei Wind und Wetter. Dazu sehr arbeitsintensiv bis alle Stände, Schirme und die Ware stehen“, weiß der ehemalige Stadtoberinspektor. Was angeboten werden darf, legt die Gewerbeordnung fest. Kaiserslautern ist ein sogenannter Grüner Wochenmarkt. Das heißt: Es werden frische Waren wie Obst, Gemüse oder Honig angeboten plus Backwaren, Fleischwaren aus eigener Erzeugung, Käse oder Fisch. Überwiegend regionale und saisonale Produkte wie Spargel, Erdbeeren oder Bärlauch, die vor allem in der Pfalz mit ihren fast 2000 Sonnenstunden pro Jahr wunderbar gedeihen. Überhaupt bietet die Region eine ungeahnte Gemüse- und Obstvielfalt – die Wochenmärkte sind so etwas wie das Schaufenster für das Angebot einer genussreichen Region.

Wohlfühlatmosphäre für die Kunden

„Ich mag die Atmosphäre mit den Ständen, Menschen und Gerüchen bei uns hier einfach sehr“, sagt Ute Trier. Sie gehört zu jenen, die regelmäßig auf den Markt gehen. Sie treffe immer Menschen, die sie kenne. Das sei schön. Klaus Hochwärter kommt sogar seit Kindheitstagen jeden Samstag auf den Markt, kauft Obst und Eier. Sein Onkel war einst Marktmeister: „Mir sind die Stände alle bekannt. Es gibt frische Sachen, ich treffe viele Bekannte. Und obwohl es nicht mehr so günstig ist wie früher, liebe ich das Flair hier und komme immer noch gerne.“

Darius Meraj
Stand von Darius Meraj
ERFÜLLUNG Darius Meraj kommt seit 24 Jahren mit seinem Stand auf den Markt in Kaiserslautern. Fotos: Friederike Krauß

Erhaltenswertes Kulturgut

„Mir gefällt die Mentalität in Kaiserslautern. Das ist hier vertraut für mich. Fühlt sich verdammt angenehm an“, sagt Darius Meraj. Bereits seit 24 Jahren kommt der 63-Jährige als einer der wenigen dreimal die Woche auf den Markt in die Barbarossastadt. In seinem Tiroler Bauernstandl, in dem er ausschließlich ausgewählte Produkte wie Käse oder Schinken von handwerklichen Produzenten anbietet, bedient er seine Kunden. Viele kennt er seit Jahren. Mitten in der Nacht startet er von seinem Zuhause in St. Martin über das Lager in Landau in Richtung Kaiserslautern. Die Stille und Ruhe der frühen Morgenstunden seien für ihn ein Genuss. „Ich finde das einfach ganz wunderbar, fast alleine auf der Straße unterwegs zu sein“, meint Meraj. Wenn sich der Markt dann nach und nach füllt und schließlich alle Beschicker ab spätestens 7 Uhr auf Kundschaft warten, ist es mit der Ruhe vorbei. Sein Beruf? Für Darius Meraj erfüllend. Die langen Arbeitszeiten und die körperliche Anstrengung, die der Job mit sich bringt, nimmt er gerne in Kauf. Das würde er sich auch mehr von der jungen Generation wünschen: motivierte Nachfolger, Menschen, die hinter dem Konzept Wochenmarkt stehen, damit dies zukunftsfähig bleibt. Denn ob in Landau, Grünstadt, Kaiserslautern oder andernorts in der Pfalz – Wochenmärkte gehören zum Kulturgut, das es zu erhalten lohnt. Da sind sich alle Beteiligten einig.

Wochenmärkte in der Pfalz
Annweiler: Fr, 8-12 Uhr; Bad Bergzabern: Di und Fr, 8-13 Uhr; Bad Dürkheim: Mi und Sa, 6.30-13 Uhr (April bis Oktober: jeweils am 1. Sa Marktfrühstück mit Livemusik); Edenkoben: Mi, 8-13 Uhr; Frankenthal: Di und Fr, 7-14 Uhr; Grünstadt: Sa, 7-13 Uhr; Haßloch: Sa, 7-12 Uhr; Kaiserslautern: Di und Sa Stiftsplatz 7-13.30 Uhr, Do Königsstraße 7-13.30 Uhr; Landau: Di und Sa, 7-14 Uhr; Neustadt: Di und Sa, 7-14 Uhr (April bis Oktober auch Donnerstag); Speyer: Sa Königsplatz 7-13 Uhr; Fr Berliner Platz 7-13 Uhr; Di Maximilianstraße 7-13 Uhr; Do Speyer Süd 9-14 Uhr; Wachenheim: Do, 7-11 Uhr

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Museumstour

Zigarren, heiße Reifen und Kunst aus Buntsandstein

Ob Genussmittel, Fahrzeug oder Baustoff – manche Dinge gehören fest in unseren Alltag. Ihre Geschichte, Entwicklung und Herstellung sind es jedoch wert, einmal ganz in den Fokus gerückt zu werden. Genau das geschieht im Zigarrenfabrikmuseum in Rödersheim-Gronau, im Motorradmuseum in Otterbach und im Steinhauer-Museum in Alsenz – die Stationen dieser Museumstour.

Zigarrenkisten
Foto: Julia Köller

Die Vorderpfalz ist heute vor allem für den Gemüseanbau bekannt. Früher wuchs auf vielen Feldern jedoch ein Rohstoff, der in zahlreichen Fabriken in der Region benötigt wurde. Denn die Pfalz war einst ein Zentrum der Zigarrenmacherei. Daran erinnert das Sozialhistorische Zigarrenfabrikmuseum in Rödersheim-Gronau, einem Ort, der selbst maßgeblich von diesem Industriezweig geprägt wurde. „In den Hochzeiten waren hier bis zu 800 Zigarrenmacher beschäftigt“, sagt Museumswart Sebastian Arnold, der auch den Fachbeirat des Zigarrenmuseums leitet. Die Ansiedlung mehrerer Zigarrenfabriken in dem bis dahin bäuerlich geprägten Dorf habe dazu geführt, dass die Bevölkerung im 19. Jahrhundert geradezu explodiert sei. So sei auch das ehemalige Schulhaus, das seit 2009 das Museum beherbergt, seinerzeit gebaut worden, weil die alte Schule aus allen Nähten geplatzt sei.

Manufaktur
ZEUGNISSE VERGANGENER TAGE Im Zigarrenfabrikmuseum Rödersheim-Gronau sind auch verzierte Kisten ausgestellt, in denen die Zigarren in den Handel kamen (großes Foto oben). In der Manufaktur wird während der Öffnungszeiten das Wickeln der Zigarren vorgeführt. Foto: Julia Köller

Sozialhistorischer Aspekt im Fokus

„Der sozialhistorische Aspekt steht im Fokus“, erklärt Arnold. Der Verein für Zigarrenmuseum und altes Brauchtum Rödersheim-Gronau, der das Museum betreibt, möchte die sozialen Auswirkungen der Industrialisierung beleuchten. So wird unter anderem ein Heimarbeitsplatz ausgestellt, wie er früher in vielen Häusern existierte. Der Besucher erlebt dabei auch gleich, wie beengt die Wohnverhältnisse damals waren. In den Fabriken saßen die Männer und Frauen dicht beieinander. Das sei mit ein Grund dafür gewesen, dass die Zigarrenmacher in der übrigen Bevölkerung als moralisch fragwürdig angesehen worden seien, sagt der Museumswart. „Ehemalige Knechte waren jetzt Zigarrenmacher“, nennt der 63-Jährige einen weiteren Grund, warum die Bauern sich von den Arbeitern abgegrenzt hätten. Selbst das Vereinsleben sei davon beeinflusst worden. So hätten die Zigarrenmacher etwa ihren eigenen Gesangverein gegründet, weil sie im bestehenden Verein nicht willkommen gewesen seien.

Sebastian Arnold
Sebastian Arnold. Foto: Julia Köller

Zigarrenwickeln wird vorgeführt

Neben Bildern, Dokumenten und Darstellungen über die sozialen Aspekte wird auf den rund 40 Quadratmetern Ausstellungsfläche natürlich auch das Handwerk selbst gezeigt. Eine von mehreren Informationsinseln im Museum, das zusätzlich eine umfangreiche Präsenzbibliothek zur Heimatkunde beherbergt, ist die Manufaktur, in der während der Öffnungszeiten das Wickeln der Zigarren vorgeführt wird. Um die angelieferten Tabakblätter weiterverarbeiten zu können, müssten sie zunächst gären, erklärt Arnold. Dann werde der Mittelast entfernt. „Den Strunk kann man weiterverwenden“, sagt der Experte. Klein gehäckselt und aromatisiert sei er meist in Pfeifentabak gelandet. „Daher kommt der Spruch ,Das Zeug kannst du in der Pfeife rauchen’“, klärt der Museumswart auf. „Das war Abfall.“

Zigarren
Foto: Julia Köller

Pfälzer Tabak für das Innenleben

Pfälzer Tabak wurde in der Regel nur für das Innenleben der Zigarren benutzt. „Er hatte eher die Aufgabe, die Zigarren günstiger zu machen“, erklärt Sebastian Arnold. Für das Umblatt wurde Überseetabak verwendet. Die Mischung war jeweils verantwortlich für den Geschmack. Doch beim Mischen entstand auch viel Staub, und der machte die Arbeiter krank. Tuberkulose sei bei den Zigarrenmachern eine der häufigsten Todesursachen gewesen.

Zigarre ist nicht gleich Zigarre

Maschinen wie in anderen Industriezweigen gab es in der Zigarrenmacherei damals kaum. Lediglich der „Wickelbock“ erleichterte das Wickeln der Zigarren, allerdings wurde er nur manuell betrieben. „1933 wurde ein Maschinenverbot erlassen“, erläutert Sebastian Arnold. Die Zigarrenproduktion war damit auf Handarbeit beschränkt, und die Zigarrenmacher konnten nur auf Werkzeuge und Hilfsmittel wie Tabakmesser, Hütchen zum Formen des Kopfes und Pressformen zurückgreifen. Sie sind ebenso ausgestellt wie die oft reich verzierten Kisten, in denen die Zigarren in den Handel kamen. Und natürlich die Produkte selbst – Formenkunde inklusive. Denn Zigarre ist nicht gleich Zigarre. So gibt es unter anderem die wuchtige Churchill, die schlanke Panatela, die elegante Senorita, die vornehme Hochzeitszigarre, die zu beiden Seiten spitz zulaufende Torpedo und die gewellten Krummen Hunde.

In den 1950er-Jahren ist Schluss

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts beherrschte die Zigarrenmacherei das Leben in Rödersheim-Gronau, denn Zigarren waren damals sehr gefragt. Doch in den 1950er-Jahren schloss die letzte Fabrik. Damit waren auch die Zigarren aus dem Pfälzer Ort Geschichte. Zumindest fast. Denn die im Museum bei Vorführungen hergestellten Zigarren gibt es als Souvenir zu kaufen.

Motorräder in ehemaliger Kirche

Wesentlich größer und absolut unverkäuflich sind dagegen die Exponate, die in der ehemaligen evangelischen Kirche in Otterbach ausgestellt sind. Im Motorrradmuseum Heinz Luthringshauser dreht sich alles um zweirädrige Maschinen. Das Museum wurde 1980 vom aus Otterbach stammenden Rennfahrer Heinz Luthringshauser gegründet, der in der Gespannklasse bis in die 1970er-Jahre hinein zahlreiche Titel erlangte. Unter anderem wurde er mit seinem Partner Hans-Jürgen Cusnik, der nach einem Rennunfall verstarb, 1972 Vize-Weltmeister. Seit Luthringshausers Tod 1997 kümmert sich der Förderverein des Motorradmuseums um die Ausstellung, die mittlerweile rund 90 Motorräder umfasst – die meisten davon noch im Originalzustand. „Die Liebe zur alten Technik“ nennt Vereinsvorsitzender Meiko Zugenmaier als Grund für sein ehrenamtliches Engagement. Er sei schon als Siebenjähriger im Museum gewesen, sagt der 52-Jährige. Und die Begeisterung habe bis heute gehalten.

Meiko_Zugenmaier
Meiko Zugenmaier. Foto: Julia Köller

Älteste Maschine von 1927

Vielen Fans historischer Motorräder schlägt das Herz schneller, wenn sie die umgewidmete Kirche betreten. Denn dort bietet sich ihnen der Blick auf 80 Jahre Motorradgeschichte. Die älteste ausgestellte Maschine ist eine BMW R42 von 1927. Mit ihren 12 PS und 500 Kubik erreichte das Tourenmotorrad eine Höchstgeschwindigkeit von 95 Stundenkilometern – für damalige Verhältnisse schon äußerst rasant. Direkt daneben steht eine NSU-Maschine aus dem Jahr 1928. „Da bremst man mit einem Lederklotz“, lenkt Zugenmaier den Blick auf eine Besonderheit dieses deutschen Motorrads. Und noch ein Detail fällt bei den Oldtimern auf: „Sie haben Schwingfedern unterm Sitz, weil die meisten Motorräder damals noch keine Hinterradfederung hatten“, so der Experte.

BMW R 42
BESONDERHEIT Eine BMW R 42 von 1927 (linkes Modell) ist die älteste ausgestellte Maschine im Motorradmuseum Heinz Luthringshauser in Otterbach. Foto: Julia Köller

Exklusives Exponat

Gerade die deutschen Maschinen, die vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, genießen Seltenheitswert. Denn im Krieg wurden unzählige Motorräder beschlagnahmt und für militärische Zwecke genutzt. Viele Maschinen seien nur deshalb erhalten, weil die Besitzer damals zu Tricks gegriffen oder sie versteckt hätten, weiß Zugenmaier. So habe zum Beispiel der Eigentümer einer Zündapp K 800 den Motor ausgebaut und in seiner Holzwirtschaft an die Säge angeschlossen. Den Rahmen habe er versteckt. Trotzdem stammt die seltenste Maschine des Museums nicht aus Deutschland. Von der BSA Fury Supersport (SS) 350 wurden 1972 nur 27 Stück gebaut. „Weltweit existieren nur noch sieben Stück, vier in Japan und zwei in den USA“, sagt Meiko Zugenmaier. Als einzige Maschine auf dem europäischen Kontinent, die der Öffentlichkeit zugänglich sei, übe die BSA Fury eine gewisse Anziehungskraft aus. „Einmal sind vier Schweden nur wegen ihr hierher gekommen“, berichtet der Fördervereins-Vorsitzende.

Ehrenplatz für Renngespanne

Da das Gebäude dem Verein gehört, konnten die Mitglieder den Raum frei gestalten und eine zweite Ebene einbauen, um die Maschinen noch besser präsentieren zu können. Jeweils einen Ehrenplatz haben dabei die Renngespanne des Museumsgründers. Unter anderem ein rotes Gefährt, mit dem der Otterbacher 1974 das härteste Motorradrennen der Welt gewann, die Tourist Trophy auf der Isle of Man. In den 1950ern startete der Rennfahrer noch in der sogenannten Schwenker-Klasse auf der Sandbahn, die später wegen ihrer Gefährlichkeit verboten wurde. Auch dieses Gespann, bei dem der Beifahrer über ein Lenkrad die Neigung des Motorrads in Kurven beeinflusste, ist im Museum zu bewundern. Und wer genau hinschaut, kann sich in etwa vorstellen, wie unbequem die Rennen für Fahrer und Beifahrer gewesen sein müssen.

Siegergespann Isle of Man
Militärgespann
EHRENPLATZ Unter den Gespannen in Otterbach ist auch das zu sehen, mit dem der Museumsgründer 1974 die Tourist Trophy auf der Isle of Man gewann (oben).

Etliche Fabrikate aus dem Ausland

„Wir haben eigentlich für jeden etwas hier“, sagt Zugenmaier und verweist darauf, dass neben Maschinen deutscher Hersteller von Adler bis Zündapp auch etliche ausländische Fabrikate in der ehemaligen Kirche stehen. Die Motorräder gehören teilweise den Mitgliedern und der Erbengemeinschaft von Heinz Luthringshauser. Zum Teil sind es aber auch Dauerleihgaben von Privatpersonen oder Herstellern. Ein Schnittmodell der BMW R 75/5 von 1975 etwa wird dem Museum von BMW zur Verfügung gestellt.

Firmenlogos mit Geschichte

Neben jeder Menge Informationen zu den Maschinen vermitteln die Vereinsmitglieder den Besuchern auch Wissenswertes rund um die Hersteller und ihre Geschichte. „Der Mann, der Horex gegründet hat, hatte zuerst eine Fabrik für Konserven und Einmachgläser“, verrät Meiko Zugenmaier. Aus deren Namen Rex und Ho für den Firmensitz Bad Homburg sei der Markenname entstanden. Fun-Fact am Rande: Die Comic-Figur Werner fährt eine Horex. Auch die Firmenlogos haben oft eine interessante Geschichte, wie das Beispiel der Zündapp zeigt. Es bestand anfangs nur aus einem stilisierten Z mit einem Blitz. Im Krieg habe das Unternehmen auch Flugzeugmotoren entwickelt. „Dann hat Zündapp Flügel bekommen“, so Zugenmaier. Apropos Motoren – auch die gibt es im Museum zu sehen. Ebenso wie Werbeschilder und viele Nummernschilder. Vor allem aber die Vielfalt an historischen Maschinen im Originalzustand macht das Museum zu einem ganz besonderen Ausflugsziel.

Werbeplakat
Foto: Julia Köller

Einblicke in die Steinhauerei

Mit einem Ausflug und sogar mit einer kleinen Wanderung lässt sich auch ein Besuch in einem Museum verbinden, das sich in einem schmucken Fachwerkhaus im Herzen von Alsenz befindet. Denn das Pfälzische Steinhauermuseum liegt direkt am etwa 2,5 Kilometer langen Steinhauer-Rundweg. Während entlang des Rundwegs verschiedene beeindruckende Häuser stehen, die von Steinbruchbesitzern aus Sandstein erbaut wurden, gibt das Museum Einblicke in die Geschichte der Steinhauerei in Alsenz. Und die reicht mindestens bis ins 18. Jahrhundert zurück, wie entsprechende Erwähnungen belegen. Ab 1830 war die Steinindustrie im Aufwind, und als 1870/71 die Alsenzbahn gebaut wurde, lockte dies noch mehr Steinhauerbetriebe an. Um die Jahrhundertwende gab es schließlich rund zehn Steinhauereien in Alsenz. Insgesamt arbeiteten dort damals rund 1500 Menschen als Steinhauer, Steinbrecher, Hilfskräfte und Tagelöhner. Das Museum, das vom Historischen Verein der Nordpfalz betreut wird, feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Ursprünglich hätte zu diesem Anlass schon eine Überarbeitung der Ausstellung stattgefunden haben sollen, doch Corona habe die Umsetzung der bereits vorhandenen Pläne verzögert, sagt Sonja Müller, Vorsitzende des Historischen Vereins. So steht dem Museum in Kürze noch eine Modernisierung bevor.

Historisches Foto im Steinhauermuseum
HARTE ARBEIT Die Geschichte der Steinhauerei in Alsenz reicht mindestens bis ins 18. Jahrhundert zurück. Das dortige Museum ermöglicht tiefe Einblicke in die Vergangenheit. Foto: Pfälzisches Steinhauermuseum/Privat
Sonja Müller und Karin Wänke
Sonja Müller (links) und Karin Wänke. Foto: Julia Köller

Werkzeuge der Steinmetze

Einen tiefen Einblick in die Vergangenheit bekommt der Besucher derweil gleich neben dem Eingang in der Steinhauer-Werkstatt. Zahlreiche Werkzeuge, überwiegend aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sind dort so ausgestellt, als würde jeden Augenblick ein Steinmetz seine Arbeit aufnehmen. In den Regalen sind Sandsteinhobel, Steinbohrer, Formeisen, Hämmer und Knüppel fein säuberlich aufgereiht. Dort und auch in einer Vitrine im Obergeschoss sind unter anderem Werkzeuge zu finden, die dem Laien vollkommen unbekannt sein dürften. Etwa die Fläche, ein beilförmiges Werkzeug, oder der Krönel, ein mit zugespitzten Stahlstäben bestückter Stiel, der zur Flächenbearbeitung diente. Hinzu kommen verschiedene Eisen vom Beizeisen über das Nuteisen bis zum Scharriereisen. Mit all diesen Werkzeugen wurde der Sandstein bearbeitet, der aus den Steinbrüchen in der Umgebung stammte.

Große Farbpalette

Dass der Sandstein je nach Herkunft ganz unterschiedlich aussehen kann, veranschaulicht eine Sammlung von Sandsteinmustern aus ganz Deutschland. Die Farbpalette reicht von Grautönen über Gelb bis Rot, wobei die Muster auch noch unterschiedliche Maserungen aufweisen. Wer es noch genauer wissen möchte, kann sich eine Auswahl von Sandsteinmustern auch unter einem Mikroskop anschauen. „Das ist vor allem für die Kinder sehr interessant“, weiß Müller.

Steinhauersalbe
Foto: Julia Köller

Kunsthandwerk aus Stein

Die Steinhauerei war harte Arbeit. Wie es in den Steinbrüchen zuging, lassen einige historische Fotos erahnen, die im Museum zu sehen sind. Sowohl dort als auch bei der weiteren Bearbeitung der Steine waren die Arbeiter ständig Staub ausgesetzt. „Die Bedingungen waren noch nicht so wie heute“, sagt Sonja Müller und erklärt, dass viele sich nicht ausreichend geschützt hätten. Staublunge war bei den Steinhauern keine Seltenheit. Dennoch befassten sich viele auch in den Wintermonaten, wenn es keine Arbeit gab, mit dem Sandstein. Davon zeugen rund 50 kunstvoll gestaltete Christbaumständer, die die Steinhauer damals daheim angefertigt haben. „Das gibt es sonst nirgendwo“, erklärt Müller. Dank privater Spenden und Leihgaben kommen immer wieder Exemplare hinzu. Die Sammlung in Alsenz sei ein echtes Kleinod, freut sich die Vorsitzende des Historischen Vereins. Und tatsächlich ist ein jeder Christbaumständer ein kleines Kunstwerk. Manche stellen einen Baumstamm dar, auf einigen sitzen sogar kleine Vögel. Andere erinnern an antike Amphoren oder sind mit Mustern oder Sternen verziert. Ein Anblick, den auch die 67-Jährige nie satt hat. „Es ist eine Augenweide“, schwärmt Müller.

Christbaumständer
Planungsbüro
AUFWENDIG Die rund kunstvoll gestalteten Christbaumständer (oben)
sind eine Besonderheit – ebenso wie die originale Einrichtung eines Planungsbüros aus der Zeit um 1900 (unten). Fotos: Julia Köller

Wichtig für Identität der Gemeinde

Aufwendige Arbeiten wurden zunächst im Planungs- und Konstruktionsbüro entworfen. Eine originale Büroeinrichtung aus der Zeit um 1900 ist in einem kleinen Raum im Obergeschoss aufgebaut. Detailreiche Skizzen sind ebenfalls zu sehen. Und zahlreiche Fotos an den Wänden der Ausstellungsräume zeigen, wie solche Pläne an Gebäuden oder auch Grabmalen umgesetzt wurden. Das Museum sei wichtig für die Identität der Gemeinde, sagt Ortsbürgermeisterin Karin Wänke. Es mache bewusster, wo vieles, das sich im Ort finden lasse, herkomme. Und sie bekräftigt: „Darauf kann man stolz sein.“

Zigarrenfabrikmuseum
Das Museum im Alten Schulhaus am Marienplatz in Rödersheim-Gronau kann immer am ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden. Meist ist dann auch das Mehrgenerationen-Café im Erdgeschoss geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Motorradmuseum Heinz Luthringshauser
Otterstraße 4, in Otterbach. Ein Rundgang ist von April bis Oktober an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 16 Uhr sowie nach Terminvereinbarung möglich. Der Eintritt kostet für Erwachsene 3 Euro, für Schüler 1,50 Euro.

Pfälzisches Steinhauermuseum
Marktplatz 4, in Alsenz. Besucher können von Ostern bis Oktober immer am ersten und dritten Sonntag im Monat, jeweils von 14 bis 17 Uhr in die Geschichte der Steinhauerei eintauchen. Führungen sind auf Anfrage beim Historischen Verein der Nordpfalz möglich. Der Eintritt ist frei. Spenden sind willkommen.

Bisherige Museumstouren: Korkenzieher-Museum in Leinsweiler, Staubsaugermuseum in Miesau, Florum in Kleinfischlingen (VielPfalz-Ausgabe 5/2020); Fasnachtsmuseum in Speyer, Deutsches Straßenmuseum in Germersheim, Museum für Weinbau und Stadtgeschichte in Edenkoben (3/2021); Museum für Zeit in Rockenhausen, Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim und 3F-Museum in Deidesheim (5/2021); Friseurmuseum in Böhl-Iggelheim, Deutsches Kartoffelmuseum in Fußgönheim und Waagenmuseum in Wachenheim (1/2022); Westwallmuseum in Bad Bergzabern, Parfümmuseum in Mehlingen-Baalborn und Schillerhaus in Ludwigshafen-Oggersheim (5/2022); Museum unterm Trifels in Annweiler, Alte Samenklenge in Elmstein und Historische Schmiede in Friedelsheim (2/2023); Zirkus-Museum in Enkenbach-Alsenborn, PAN Das Museum/Tausendsassa Alkohol in Germersheim und Bachbahn-Museum in Kaiserslautern-Erfenbach (6/2023); Ziegelei-Museum in Jockgrim, Puppenstuben-Museum in Jakobsweiler und Pfälzisches Erlebnis Bibelmuseum in Neustadt (3/2024); Diamantschleifermuseum in Brücken, Museum Herxheim bei Landau und Haus Leben am Fluss in Neupotz (1/2025).

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Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Was wissen

Eine Frage des Geschmacks

In unserer Rubrik zum Thema Weinwissen erläutert Rudolf Litty dieses Mal, warum die Vorlieben für einen Wein von mehr Begleitumständen beeinflusst werden, als mancher vielleicht denken mag.

Weinglas

Geschmäcker sind verschieden. Und so hat auch beim Wein jeder seine eigenen Vorstellungen und Vorlieben – die von mehr Begleitumständen beeinflusst werden, als mancher vielleicht denken mag. Nur zum Test: Probieren Sie doch mal morgens um 9 Uhr einen Schluck Wein, dann zum Mittagessen und schließlich zum Tagesausklang nochmals. Wahrscheinlich würde Ihr Urteil zu jeder Tageszeit anders ausfallen. Unser Geschmack verändert sich durch die verschiedensten Einflüsse ständig, was sich auch auf unsere Vorliebe für bestimmte Nahrungsmittel und eben auch Getränke auswirkt. Man sollte bewusst in sich gehen, sich die Speisen und die zur Auswahl stehenden Weine vorstellen, und erforschen, was für einen selbst am besten zusammenpassen und schmecken könnte.

Wahrnehmung und Qualitätsempfinden

Ein Beispiel: Im Urlaub ist man von einem süffigen, italienischen Chianti als Essensbegleiter begeistert und nimmt sich, weil er so gut schmeckt, einige Flaschen mit nach Hause. Und dann? Stellt man fest, dass der Wein zu Hause überhaupt nicht mehr schmeckt. Die Umgebung, die Gesellschaft und im angeführten Beispiel die Urlaubsstimmung tragen genauso dazu bei wie die Qualität des Weines selbst. Weiteres Beispiel: Bei einer kulinarischen Weinprobe legt man sich schnell auf einen Favoriten fest, kauft ein paar Flaschen und macht auch hier die Erfahrung, dass der Wein in den heimischen vier Wänden auf einmal gar nicht mehr so gut mundet. Auch hier ist man möglicherweise nicht in der entsprechenden Stimmung, fehlt vielleicht die Gesellschaft oder das richtige Weinglas. Möglicherweise stimmt auch die Weintemperatur nicht. Das alles trägt zur Wahrnehmung und dem Qualitätsempfinden bei. Zu Hause versucht man, die bei der Verkostung vom Winzer beschriebenen Aromen und Feinheiten der Weine nachzuempfinden. Aber so recht gelingen will es nicht.

Wein muss zur Gelegenheit passen

Auch der Preis des Weines oder seine Komplexität sind nicht entscheidend, wenn es darum geht, ob er schmeckt oder nicht. So kann man genauso viel Freude an einem günstigen, einfachen Wein haben. Er muss schlichtweg zur Gelegenheit passen. Beim Picknick im Freien zählt beispielsweise ein Bordeaux nicht unbedingt zur bevorzugten Wahl. Hier wären eher ein leichter Weißwein oder ein Rosé passend. Ein Faktor ist dabei auch die Außentemperatur. Gerade im Sommer, wenn es sehr warm ist, empfiehlt es sich, den Wein vor dem Verkosten auf etwa acht Grad zu kühlen, da er sich bei höheren Temperaturen im Glas schneller erwärmt. Schließlich sollte der Wein natürlich auch zum dazu gereichten Essen passen. Wer Gäste erwartet, könnte zum Beispiel zwei oder drei verschiedene Flaschen auf den Tisch stellen und den Besuch selbst probieren und entscheiden lassen, welcher Wein in dieser Konstellation für ihn persönlich am besten passt. Geschmäcker sind schließlich verschieden – und von vielen verschiedenen Dingen abhängig.

Der Experte

Rudolf Litty ist ehemaliger Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Beim Weinbauamt Neustadt/Weinstraße war er für die amtliche Qualitätsweinprüfung verantwortlich. Litty, geboren 1951, lebt in Klingenmünster und organisiert Weinseminare.

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Weinstöberei

Der alte Neue aus der Pfalz

Ein unterschätzter Klassiker mit modernem Twist: der Gewürztraminer Fumé des Weinguts Studier in Ellerstadt

Das Team des Weinguts Studier
Foto: Weingut Studier

Drei Worte, die die Pfalz gut beschreiben? Genuss, Tradition und Rieslingliebe. Doch wer denkt, der Riesling sei der älteste Star am Pfälzer Rebenhimmel, liegt daneben. Der Gewürztraminer war schon vorher da – aromatisch, würzig und manchmal ein bisschen eigen. Im südpfälzischen Rhodt unter Rietburg etwa steht ein Weinberg, der seit mehr als 400 Jahren mit Gewürztraminer bestockt ist – wurzelecht und voller Geschichte.

Logo Weinstöberei

Feiner Schmelz, der am Gaumen bleibt

Gewürztraminer Fume


Lange wurde der Traminer als „parfümiertes Damengetränk“ belächelt. Doch dieses Image hat er längst abgeschüttelt. Besonders dann, wenn er so gedacht und gemacht ist wie beim Weingut Studier in Ellerstadt. Dort entstehen Weine nicht nur mit technischer Präzision, sondern mit Leidenschaft. Reinhard Studier gibt die Richtung vor, doch alle Weine sind das Resultat einer echten Teamarbeit, die mit Herz und Hand gemacht wird. Ein Paradebeispiel dafür ist der 2023 Gewürztraminer Fumé. Die Trauben stammen von alten Reben, die auf tiefgründigem Löss-Lehm wurzeln. Vergoren wurde spontan im 500-Liter-Holzfass, danach reifte der Wein ganze zwei Jahre auf der Vollhefe mit regelmäßiger Bâtonnage. Was passiert bei einer längeren Hefekontaktzeit im Wein? Die Hefe baut sich mit der Zeit ab und setzt dabei Polysaccharide und Mannoproteine frei. Sie verleihen dem Wein mehr Tiefe, ein cremiges Mundgefühl und diesen feinen Schmelz, der am Gaumen bleibt. Der Begriff Fumé, französisch für „geräuchert“, verweist auf einen Holzeinsatz.

Holzeinfluss rahmt Aromen ein

Und wie schmeckt er nun, der neu interpretierte Gewürztraminer? In der Nase zeigen sich reife Birne, Litschi und Rose, begleitet von feinen Gewürznoten und einem Hauch gerösteter Nuss – subtil, nicht aufdringlich. Am Gaumen überzeugt er mit milder Säure, Cremigkeit und Balance. Der Holzeinfluss rahmt die Aromen ein – weniger florale Duftwolke, mehr Bodenhaftung, Struktur und Charakter. Adrienne und Reinhard Studier trinken ihn übrigens selbst besonders gern – vielleicht steckt genau deshalb so viel Persönlichkeit in jeder Flasche.

2023 Gewürztraminer Fumé Master trocken | 0,75 Liter | 19,90 Euro | Weingut Studier | Ellerstadt | weingut-studier.de

Inga Klohr
Winzerin Inga Klohr. Foto: AdLumina/Ralf Ziegler

Die VielPfalz-Weinstöberei

Besondere Cuvées oder ein spontan vergorener Literriesling – unter Pfälzer Weinen gibt es immer Spannendes zu entdecken. Weinstöberei heißt die Rubrik, in der Inga Klohr (geb. Storck) empfehlenswerte Weine vorstellt. Die Pfälzische Weinkönigin 2017/2018 und Deutsche Weinprinzessin 2018/2019 macht sich für VielPfalz auf die Suche nach besonderen Tropfen. Sie absolvierte den Dualen Studiengang Weinbau und Önologie am Weincampus in Neustadt an der Weinstraße und arbeitet als Winzerin.

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Pfälzer Szenen von Karin Mihm

Än Aagebligg: Kloster Rosenthal

Sie sind eine gezeichnete Kolumne. Sie sind ein optisches Ausrufezeichen in Sachen Genuss. Sie halten besondere Augenblicke in einer besonderen Form fest. Karin Mihm präsentiert Pfälzer Szenen mit lockerem Tuschestrich und fröhlichen Aquarellfarben.

Die Künstlerin

Foto: Privat

Karin Mihm, Jahrgang 1966, hat in Gießen und Marburg studiert. Einige Jahre lebte sie in Berlin, bevor es sie 2003 nach Düsseldorf zog, wo sie bis heute lebt. Ihr künstlerisches Werk reicht von Comics für Kinder und Erwachsene über politische Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen bis hin zur Malerei. Sie werden mit lockerem Tuschestrich und Aquarellfarben angefertigt. Karin Mihms Ziel: typische Orte zeichnen und dabei eine liebenswerte und humorvolle Perspektive einnehmen. In der Pfalz hat sie dazu eine große Auswahl.

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Pfälzer Perspektiven

Heimat

Betrachtungen von Janina Huber rund um die Frage, was Heimat bedeutet – und warum man dankbar sein kann, in der Pfalz zu Hause zu sein.

Zwei Frau von hinten blicken in die Ferne

Was bedeutet Heimat für Sie? Die meisten denken hier vermutlich an den Ort, an dem sie sich zu Hause fühlen. Wo Familie und Freunde leben, wo sie aufgewachsen sind, wo sie sich auskennen. Für uns Pfälzerinnen und Pfälzer ist das oft mit einem Stückchen Stolz verbunden, denn wir sind uns sicher: Unsere Heimat, das ist die Pfalz.

Ein magisches Band

Trotzdem scheint das mit der Heimat nicht so einfach zu sein. Auf die Idee, mich mit dem Thema zu beschäftigen, bin ich durch ein Essay des Autors Bernhard Schlink („Der Vorleser“) gekommen. „Heimat als Utopie“ lautet der Titel. Dass Heimat ein „ou topos“ – frei aus dem Altgriechischen ein „Nicht-Ort“ – sein soll, das kann ich mir als überzeugte Pfälzerin kaum vorstellen. Für mich gab und gibt es da immer dieses magische Band zu jenem Ort entlang der Haardt.

Wir Pfälzer wissen uns zu helfen

Schlink aber versteht Heimat als ein Gefühl, das erst durch Heimweh hervortritt, durch Erinnerungen, Wünsche und Träume, die mit Heimat verbunden sind. Heimat lebt im Exil. Diese Sichtweise kann ich nachvollziehen und habe allen Respekt vor der Erfahrung vieler Menschen, die tatsächlich ein Exil erleben. Doch für mich ist Heimat auch ohne Exil zu finden. Sie ist die Pfälzer Landschaft. Sie ist ein Wortwechsel auf Pfälzisch, den ich zufällig aufschnappe. Sie ist das Geflecht aus Familie und Freunden und der Duft eines Dürkheimer Rieslings, der für mich weltweit den Geschmack von Heimat bedeutet. Übrigens muss ich dabei auch an das Lied „Schorle“ der Anonyme Giddarischde denken, in dem Sänger Edsel dem Hotelkellner erklärt, wie eine echte Pfälzer Schorle gemacht wird. Will sagen: Wo uns Pfälzern mal die Heimat fehlt, wissen wir uns schon zu helfen. Schlink beschreibt Heimat als Verlust und Sehnsucht. Sicher kann das sein. Doch aus meiner Perspektive ist Heimat die Fülle dessen, was mich umgibt. Sie entsteht aus dem, was wir erleben und fühlen.

Weder Utopie noch blasse Erinnerung

Auch der Philosoph Ernst Bloch (1885–1977), selbst Pfälzer aus Ludwigshafen, sieht Heimat nicht als Ort, den man verlässt oder zu dem man zurückkehrt, sondern als einen Ort der Zukunft. Er beschreibt Heimat als das, was noch nicht ist, aber eines Tages sein könnte – ein Ort, an dem wir wirklich wir selbst sein können. Darüber könnte man noch länger philosophieren. Oder Sie machen es wie ich und sind dankbar, in der Pfalz zu Hause zu sein: Denn hier ist Heimat weder Utopie noch blasse Erinnerung oder Zukunftshoffnung. Sie ist einfach hier und jetzt.

Die Autorin

Janina Huber, 1989 in Bad Dürkheim geboren, hat Geschichte, Latein und Philosophie studiert. Ihre Leidenschaft für Wein machte die pfälzische Weinkönigin 2013/2014 und Deutsche Weinkönigin 2014/2015 längst zum Beruf. 2018 startete sie als selbstständige Weinfachfrau mit den Schwerpunkten Moderation und Kommunikation. Weinkurse und Workshops für Profis und Liebhaber bei der Weinschule „Grape skills“ in Heidelberg sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung.

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