Veranstaltungs­tipps

Tipps für Genuss-Events in der Pfalz: Das VielPfalz-Team recherchiert für Sie empfehlenswerte Veranstaltungen in der Pfalz, die vielfältigen Genuss versprechen – von der Weinprobe über die Städteführung bis zum Fest, Markt oder Konzert. Welches Event Sie auch immer anspricht, wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!

Die Pfalz in Worten

Eine Region voller Geschichten

Die Pfalz ist unbeschreiblich schön. Das stimmt nicht ganz. Es gibt Menschen, die treffliche Worte finden, um die Region auf den Punkt genau zu beschreiben. Wir begegnen der Pfalz in Büchern auf eine neue und doch vertraute Weise. Mal ist sie Hauptfigur und die Texte sind Spiegel ihrer Zeit. Mal ist sie Schauplatz fantastischer Handlungen. Mal ist sie Inspiration oder Begegnungsort für Literatur, Malerei und Grafik. Sie ist auf jeden Fall eine literarische Reise wert.

ROMANTISCH Bilder und Worte sind Spiegel ihrer Zeit. Die Schäferszene am Fuße des Trifels ist eine der Illustrationen aus „Die romantische und malerische Pfalz“ von Franz Weiß, die den Reiseführer so einzigartig machen. Der Landschaftsmaler Leopold Rottmann fertigte das Aquarell um 1839 an. Repro: Gerhard Hofmann

Wir steigen hinab. Mit jeder Treppenstufe wird es kühler. Die Härchen auf meinen Unterarmen stellen sich. Mit der Temperatur verändert sich die Lichtfarbe. Kaltweiß strahlen die Wände, die Decke, die Regale. Mein Stift kratzt steif über das Papier. Versucht, Worte und Gedanken zu fassen. Irgendwo in diesem Labyrinth klackert ein Rollwagen. Wir biegen rechts ab, links, noch zwei Mal rechts. Blanke Regalfronten ziehen vorbei wie nackte Hochhäuserfassaden. Die weiß-lackierte Stahlbetontür steht offen. Die Luft ist rein. Wir ducken uns, gehen durch den engen Zwischenraum. Achtung, Stolperfalle! Ein Schritt noch und – ich erstarre.

Verborgen im Tresorraum

„Hier bekomme ich sie alle“, sagt Claudia Germann, Diplom-Bibliothekarin und Leiterin der Pfalzbibliothek in Kaiserslautern, mit einem schelmischen Gesichtsausdruck. Wir stehen im Tresorraum des ehemaligen Bankgebäudes, in dem die Pfalzbibliothek untergebracht ist. Mit subtiler Hartnäckigkeit hat die Bibliotheksleiterin darauf bestanden, mich hierher in den Keller zuführen. Ich bin ihr dafür dankbar. Denn wo einst Gold und Silber, Geld und Urkunden sicher verwahrt lagen, ruhen heute literarische und künstlerische Schätze der Pfalz. Verborgen im Dunkeln überdauern sie die Zeiten, die über ihnen hinwegrasen. Eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert, gute 40 Zentimeter lang und 20 Zentimeter dick, mit reichverziertem, schwerem Ledereinband ist in der Mitte des Tresorraums platziert. Weiße Stoffhandschuhe liegen daneben. In den Regalen schlummern rund 200 historische Landkarten der Pfalz sowie eine Komplettausgabe der von Matthäus Merian angefertigten Pfalzstiche aus dem Jahr 1645.

KELLERSCHÄTZE Im Tresorraum bewahrt die Pfalzbibliothek literarisch und künstlerisch wertvolle Werke auf. Foto: Pfalzbibliothek

Die Macht des Wortes

Kein Wunder, dass Claudia Germann spätestens hier die Aufmerksamkeit aller ihrer Besucherinnen und Besucher hat, die sie durch die Pfalzbibliothek führt. Der Tresorraum macht zum einen nicht nur bei Schulklassen und Studierenden Eindruck. An diesem Ort spürt man die Wärme und die Macht des geschriebenen Wortes. Ich lade Sie ein, hier im Untergrund Kaiserslauterns mit mir die literarische Reise durch die Pfalz zu beginnen. Wir werden erleben, wie das eine das andere bedingt, die Pfalz die Literatur und die Literatur die Pfalz. Auf geht’s! Zurück durch die Gänge und Flure des Kellers, die Treppe rauf, am Tresen vorbei und Platz nehmen in der Ruhe des Lesesaals.

Im Lesesaal der Pfalzbibliothek

Leiterin der Pfalzbibliothek Claudia Germann. Foto: Privat

„Was Sie schon immer über die Pfalz wissen wollten, finden Sie bei uns“, heißt der Slogan der Pfalzbibliothek. Mehr als 100.000 Medien überwiegend über die Pfalz oder von pfälzischen Autorinnen und Autoren geschrieben umfasst die Sammlung. Wahnsinn! Der Großteil davon befindet sich im unterirdischen Magazin. Die gängigsten und aktuellsten Titel sind im Lesesaal frei zugänglich und nach verschiedenen Themen sortiert, zum Beispiel „Sellemols“ (Geschichte), „Pälzer Leit“ (Volkskunde) oder „Ur-Bagaasch“ (Genealogie). Die meisten Beschriftungen sind zweisprachig. „Als regionale Spezialbibliothek des Bezirksverbandes Pfalz hat die Einrichtung eine kleinere Zielgruppe als beispielsweise Stadtbibliotheken“, sagt Claudia Germann. Es seien oft Heimat- oder Familienforschende älter als 50 Jahre, die Zeit haben das Angebot zur Recherche zu nutzen. In Büchern aus dem Bestand vor Ort zu schmökern oder sie auszuleihen, ist nach vorheriger Anmeldung kostenlos. „Nur für die Fernleihe erheben wir eine geringe Gebühr. Die Fernleihe wird von allen Altersgruppen genutzt. Studierende schätzen das ruhige Ambiente und kommen gerne zum Lernen oder für Gruppenarbeiten hierher.“

Hungrig auf Bücher

Sie kennen sicher das Gefühl, wenn Sie hungrig durch den Supermarkt gehen. Auf einmal sieht jedes Produkt unglaublich lecker aus und Sie könnten einfach alles in den Einkaufswagen werfen. So ergeht es mir zwischen all den Büchern. Hier mal die Nase reinstecken, dort den Einband befummeln, oh, „Hexenverfolgung“ – da steckt bestimmt eine spannende Idee für eine Geschichte drin… Professionelle Selbstbeherrschung und der Druck, dass das Parkticket bald abläuft, lassen mich nicht heimlich zwischen den Regalen verloren gehen. „Bibliotheken waren früher der Ort, an dem ich Informationen erhalten habe. Heute bekomme ich viele davon schneller und unmittelbarer. Dennoch ist in vielen Fällen eine Buchrecherche immer noch unerlässlich, auch können beispielsweise historische Zeitungen gute Quellen sein.

GESCHMACKSSACHE Heute erscheinen Reiseführer mit unterschiedlichen Schwerpunkten – für jedes Hobby der passende. Foto: Kathrin Engeroff

Bibliotheken prägen Orte

Auf unserer pfälzischen Literaturreise steht die Pfalzbibliothek stellvertretend für die vielen großen und kleinen Bibliotheken und Büchereien in der Pfalz. Sie sind Orte der Begegnung mit der Geschichtenwelt wie auch mit anderen Buchfreundinnen und -freunden. Sie sind fixe Literaturpunkte und prägen Teil des öffentlichen Lebens jeder größeren Gemeinde. Halten wir fest: Literatur prägt also durch Bibliotheken das Erscheinungsbild der Pfalz sowie das kulturelle Leben. Auf den letzten Punkt kommen wir später noch genauer zu sprechen.

PFÄLZISCH Mundart wird in der Pfalzbibliothek liebevoll gepflegt und in den Mittelpunkt gestellt. Foto: Kathrin Engeroff

Events kommen gut an

Um noch mehr Menschen für die Pfalz und Bücher zu begeistern, setzt die Pfalzbibliothek seit einigen Jahren auf Einzelevents mit verschiedenen Schwerpunkten. Von der klassischen Krimilesung bis zur Ausstellung zu einem historischen Thema. Bis zum 27. April 2024 ist momentan die Schau zur Revolution 1848/49 „… überall weht die schwarz roth goldene Freiheitsfahne“ zu sehen. 14 Tafeln sowie Anschauungsmaterial aus dem Bestand der Pfalzbibliothek im Lesesaal beschreiben die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen der Revolution auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Es sind die Schriftstücke aus jener Zeit, die den Aufbruch in die demokratische Moderne auf verschiedene Weise nachempfinden lassen.

Umzug in neue Räume

Apropos Aufbruch: Die Pfalzbibliothek zieht vermutlich noch in diesem Jahr in die Fischerstraße in Kaiserslautern um. Die neuen Räume bieten mehr Platz für Ausstellungen, Veranstaltungen und vor allem für Medien: „Wir möchten den strengen Pfalzbezug erweitern, damit wir noch mehr Menschen mit unserem Angebot ansprechen. Im Bestand sollen künftig auch Themen Platz finden, die über die Pfalz hinaus politisch und gesellschaftlich wichtig sind, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit“, sagt Claudia Germann. Für die Diplom-Bibliothekarin ist es außerdem wichtig, etwa durch Gaming-Angebote auch Jugendlichen einen Raum in der Pfalzbibliothek zu bieten und – so der Wunsch – sie darüber für Bücher zu begeistern. Falls das nicht klappt, könnte sie die Kids wieder in den Keller führen. Nur ein Vorschlag am Rande, denn die Pfalzbibliothek zieht von einer ehemaligen Bank in die nächste – Tresorräume inbegriffen.

SCHÖN-SCHROFF Dem Romantiker Franz Weiß gefällt das wilde Land bei Falkenstein am Donnersberg besonders gut. Illustriert wurden seine Worte mit einem Aquarell des Landschaftsmalers Theodor Verhas. Repro: Gerhard Hofmann

Die romantische Pfalz

Doch wir gehen nun durch die hohe und nicht minder schwere Holztür nach draußen und schnuppern Stadtluft. Kaiserslautern liegt in der Pfalz so strategisch zentral, dass schon immer viel Durchgangsverkehr herrschte. Zum Leidwesen der Einwohner waren es viele Jahrhunderte lang vor allem Armeen, die hier zu diversen Kriegsschauplätzen durchzogen und die Stadt heimsuchten. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen dann auch die ersten Touristen dazu, die neugierig auf ein Abenteuer in diesem unbekannten Westen waren. Wir unternehmen nun bei unserer literarischen Reise einen Abstecher in diese Zeit und machen Bekanntschaft mit drei Literaten, die auf unterschiedliche Weise die Pfalz und Kaiserslautern beschrieben:

Georg Friedrich Blaul, 1838

Franz Weiß, 1840

August Becker, 1858

Ein Bild, das bleibt

Hier haben wir es mit zwei Spätromantikern und einem Realismus-Vertreter zu tun. Wie erging es Ihnen beim Lesen der Zitate? Ich musste bei Blaul herzhaft lachen, von Weiß‘ Sprache war ich entzückt und Becker verblüffte mich mit feinstem Marketing für die gesamte Pfalz. Während Bibliotheken sichtbar die Pfälzer Landschaften prägen, erschaffen Autorinnen und Autoren durch ihre Texte ein noch viel weitreichenderes Bild der Region in unseren Köpfen. So halten sich manche romantischen Motive bis heute. Oder?

DETAILFÜLLE Das Aquarell von Richard Höfle zeigt das Leben rund um Burg und Ort Frankenstein im 19. Jahrhundert. Repro: Gerhard Hofmann

Das Interesse nimmt zu

Wieso wir mit dem Pfalzbild in der Romantik starten und nicht schon vorher? Wenn doch bereits große Namen der deutschen Dichtkunst wie Schiller, Goethe oder Hölderlin viel früher mehr oder weniger charmante Worte für die Pfalz fanden? Zum einen sprechen wir historisch gesehen von der „Pfalz“ erst seit dem Jahr 1837 als der „Rheinkreis“ bei der Bildung der bayerischen Regierungsbezirke umbenannt wurde. Mit dem Hambacher Fest 1832 und der Revolution 1848/49 fallen zum anderen zwei bedeutende Ereignisse in diese Zeit, die neben der Namensgebung prägend für die neue Pfälzer Identität waren. Drittens wuchs mit dem allgemeinen auch das künstlerische Interesse an der Pfalz, wodurch sie erstmals im besonderen Maße selbst Gegenstand in der Literatur wurde. Mit den Werken von Blaul, Weiß und Becker haben wir Texte vor uns, die von Pfälzern mit viel Herz für Pfälzer geschrieben wurden.

KUNSTDRUCK-EXPERTE Gerhard Hofmann in seinem Atelier in Neustadt an der Weinstraße. Foto: Michael Dostal

Ein Ort für Romantiker

„Nicht als sachlicher Dokumentarist, sondern als sinnlicher Beobachter durchwanderte Blaul seine Heimat“, wie der Klappentext von „Träume und Schäume vom Rhein“ verkündet. Lesende empfinden die subjektiven Schilderungen als sehr authentisch. Die Pfalz bietet alles, was das Romantiker-Herz damals (und heute) höherschlagen ließ: dunkle Wälder, alte Burgen, Ruinen, Höhlen, Moore und andere Naturlandschaften. Ehrlich und humorvoll bis in die Federspitze sind auch die Schilderungen, die bis heute wenig an Aktualität eingebüßt haben und nicht in das romantische Bild passen:

Georg Friedrich Blaul, 1838:

Stahlstiche bei Franz Weiß

„Blaul nimmt die Leute mit seiner Art richtig mit“, sagt der Neustadter Künstler Gerhard Hofmann. Seine größere Bewunderung gilt allerdings dem Werk „Die malerische und romantische Pfalz“ von Franz Weiß, an dem namhafte Künstler mitwirkten. Diese Pfalzdarstellung ist laut Hofmann deshalb so attraktiv, weil hier erstmals nicht nur Wörter, sondern auch Illustrationen die Fantasie anregten. Die erste Auflage des 1840 im Verlag von August Hermann Gottschick in Neustadt an der Haardt erschienenen Buches enthielt 24 Stahlstiche. In der zweiten Auflage waren es neben dem Titelbild schon 62 Stahlstiche und in der dritten kamen noch zwei weitere hinzu. „Die Bebilderung war damals technisch eine richtige Herausforderung und finanziell eine große Unternehmung für den Verleger, so etwas zu riskieren“, beschreibt Hofmann. „Deshalb wurden für das Buch vor der Produktion zunächst Subskribenten gesucht, um zu sehen, wie viel Interesse da ist.“ Der poesievolle Reiseführer traf den Nerv der Zeit. „Die Ausstattung des Buchs mit 24 anspruchsvollen Stahlstichen bot einen besonderen Reiz bei der Lektüre“, schreibt Hofmann im Katalog zur am Buchtitel orientierten Ausstellung „Die malerische und romantische Pfalz“ in der Villa Böhm.

Franz Weiß, 1840

Herausforderung: Buchproduktion

BUCHDRUCK Im 19. Jahrhundert war die Buchproduktion technisch und finanziell eine Herausforderung. Foto: Marco Djallo/Unsplash

Franz Weiß stimmt seine Leserschaft schon mit den ersten Zeilen in der typischen romantischen Manier auf die Beschreibung seines Wander- und Reiseführers ein. Das Buch ist in der digitalen Bibliothek des Münchner Digitalisierungszentrums frei zugänglich. Mit ein paar Klicks kann es heruntergeladen werden. Als ich mich in das Lesen der Kurrentschrift reingefuchst hatte, fand ich richtig Spaß an der schwülstigen Sprache des Autors. Eines hatte ich, als sogenannter Digital Native, dabei im Wortsinn nicht auf dem Schirm: wie viel Arbeit damals alle Beteiligten in die Buchproduktion steckten. Klar kann ich die Schreibstunden des Autors am ehesten nachempfinden, aber dass das Buch in mehreren Teilen ausgeliefert wurde und man erst zum Buchbinder ging, als es komplett war, ist weit weg vom heutigen Verlagswesen. „Es ist schwierig sich vorzustellen, wie mühsam es war, ein Buch herzustellen. Die Bebilderung war damals technisch eine richtige Herausforderung“, ist Künstler Gerhard Hofmann, der selbst eine Radier- und Druckwerkstatt betreibt, von den damaligen Tiefdruckverfahren des Stahlstiches begeistert.

Die Branche im Wandel

Beeindruckend ist auch die rasante Entwicklung der Branche. Während Blaul noch ganz ohne bildhafte Unterstützung die Pfalz nur in Worten zeichnete, kamen bei Weiß die hochwertig und minutiös gearbeiteten Stahlstiche zum Einsatz und August Beckers Werk „Die Pfalz und die Pfälzer“ wurde wenige Jahre später mit Holzstichen bebildert, da die „billiger zu drucken waren“, sagt Hofmann und ergänzt: „Sie weisen aber nicht die Qualität von Stahlstichen auf.“ Ganz deutlich erkennt man daran, dass Schreibende und Künstlerinnen und Künstler immer vom Geist ihrer Zeit geprägt sind – inhaltlich, technisch und wirtschaftlich. August Becker war sich dahingehend seiner Aufgabe als Autor bewusst:

August Becker, 1858

Fragen, die bleiben

Sie haben wahrscheinlich gemerkt, dass ich ganz verliebt in die Art und Weise bin, wie diese drei Autoren vor rund 200 Jahren die Pfalz beschrieben haben. Sicherlich auch, weil mir bei ihren Schilderungen so vieles Vertrautes begegnet. Auf meine Frage, ob die drei Literaten mit ihren Werken den Grundstein für das heutige Bild der Pfalz legten, gibt es keine eindeutige Antwort. Einen gewissen Beitrag haben sie dazu geleistet – ja. Aber wie so oft ist das Thema vielschichtiger. Bevor wir uns auf unserer Reise in der Vergangenheit und in den „alten“ Geschichten verlieren, springen wir wieder zurück in die Gegenwart und sehen Parallelen.

WISSENSSCHATZ Das Erzählen von Geschichten spielt eine entscheidende Rolle für den evolutionären Erfolg und die kulturellen Errungenschaften des Menschen. Foto: Pierre Bamin/Unsplash

Von der Pfälzer Muse geküsst

„Die vielfältigen Eindrücke in der Pfalz lösen sofort den Impuls aus, das Erlebte kreativ verarbeiten zu wollen. Die Begegnung mit der Pfälzer Landschaft macht dich nicht sprachlos, sondern im Gegenteil, es fällt dir leicht, Worte zu finden“, beschreibt Autor Michael Landgraf das Verhältnis Pfälzer Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu ihrer Heimat. „Natürlich spielt beim Schreiben das, was du kennst und deine Heimat immer mit hinein.“ Der evangelische Theologe und Leiter des Religionspädagogische Zentrums der Evangelischen Kirche der Pfalz ist Autor von 140 Büchern. Neben Sach-, Schul- und Kinderbüchern schreibt er vor allem über die Pfalz. Diesen April erscheint von Michael Landgraf im Dudenverlag der Sprachführer „Pfälzisch: Alla hopp un uffbasse“. Darin spürt er auch der Frage nach, ob die Pfalz der Ausgangspunkt des Deutschen ist. „Im 9. Jahrhundert übersetzte der Mönch Otfrid von Weißenburg erstmals Teile der Bibel ins Rheinfränkische und nannte in einer Verteidigungsrede seine Sprache ,lingua teodisca’, also Deutsch“, berichtet Michael Landgraf. Otfrid von Weißenburg als erster namentlich bekannter deutscher Dichter nehme daher eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der frühen deutschen Literatur ein. Es wird vermutet, dass er aus der heutigen Südpfalz stammte und „er hat die Region auch beschrieben“.

Für jeden das passende Buch

Das Schreiben in einer gemeinsamen „Volkssprache“ ermöglicht es uns erst, Gedanken und Ideen festzuhalten, sie zu organisieren und mit anderen zu teilen. Das Geschriebene dient als Mittel zur Reflexion, zur Unterhaltung, zur Bildung und zur Dokumentation. Dafür wählen Autorinnen und Autoren bis heute unterschiedliche Genres und Darstellungsformen. Bei Michael Landgraf ist aktuell zum Beispiel der Reiseführer „Weinorte in der Pfalz“, der 2025 erscheint, in Arbeit. „Neustadt an der Weinstraße und seine Weindörfer. Der Reiseführer“, „Pfalz – Radeln für die Seele“ sowie „Glücksorte an der Deutschen Weinstraße. Fahr hin und werd‘ glücklich“ lauten die Titel seiner neuesten Bücher. All diese Reiseliteratur reiht sich in das Vermächtnis sämtlicher Veröffentlichungen seit Otfrid von Weißenburg in dem Punkt ein, dass auch dort die Schönheit der Pfalz belobigt wird. Die Leiterin der Pfalzbibliothek Claudia Germann macht bei modernen Werken jedoch folgenden Unterschied aus: „Heute werden Bücher und vor allem Reiseführer sehr zielgerichtet verfasst. Früher waren es eher subjektive, allgemeine Reisebeschreibungen, heute sind die Titel sehr speziell und es gibt für viele Bedürfnisse und Hobbys eigene Veröffentlichungen.“

Autor und Generalsekretär von PEN Deutschland Michael Landgraf. Foto: Foto: Juan Müller

Neuer Player: PEN Rhein-Neckar

Das Interesse an diesen regionalen Büchern für alle Fälle – von Reiseführern, über Krimis, Kochbücher und Romane – sei groß, bestätigen Germann und Landgraf. Die Pfalz ist dabei Hauptfigur, Schauplatz oder Inspirationsquelle. Und sie ist das Zuhause von vielen Autorinnen und Autoren. Kann man also von einer regen Literaturszene sprechen? „Rege auf jeden Fall. Die Literaturszene in der Pfalz ist recht groß und sehr engagiert“, sagt Bibliothekarin Germann. Michael Landgraf ergänzt: „Es ist etwas im Aufbruch. Wir haben vereinzelt sehr rege Gruppen, in Kirchheimbolanden oder Neustadt zum Beispiel. Es gibt in der Pfalz zwei klassische Player: den Literarischen Verein der Pfalz, ein Zusammenschluss von Literaturfreunden, auf der einen Seite und den Verband der deutschen Schriftsteller auf der anderen.“ Ganz neu ist seit einem Jahr die PEN-Regionalgruppe Rhein-Neckar. Das PEN-Zentrum Deutschland, die älteste Schriftstellervereinigung im Land, setzt sich für Literatur, Meinungsfreiheit und Völkerverständigung ein. PEN steht für Poets, Essayists, Novelists. „Um bei PEN aufgenommen zu werden, brauchst du bereits ein gewisses Standing als Schriftsteller sowie zwei Bürgen“, sagt Michael Landgraf, der seit 2018 Mitglied und seit zwei Jahren PEN-Generalsekretär ist. Ganz bewusst habe man bei der Regionalgruppe die Grenze nicht am Rhein gezogen, sondern die rechtsrheinische Kurpfalz dazu genommen. „Wir schätzen gerade diesen den Austausch, denn wir verstehen uns als eine pfälzische Kulturregion.“

POESIE ZUM PFLÜCKEN An verschiedenen Plätzen in Landau gibt es Gedichte und Kunst direkt zum Mitnehmen. Der rund 120 Mitglieder zählende Literarische Verein der Pfalz veröffentlicht jährlich drei Publikationen. Neben der Mitgliederzeitschrift sind es das Jahrbuch und der literarische Adventskalender. Foto: Literarischer Verein Pfalz/Peter Herzer

Der Literarische Verein der Pfalz

Feedback geben und nehmen ist dabei eine Kunst, die wie das Schreiben geübt sein will. Jeder, der einen literarischen Text verfasst oder ein Bild zeichnet, gibt in diesem Moment etwas sehr Persönliches von sich preis. Gefühle, Gedanken, Erfahrungen werden zu Wörtern und Farbe. Umso nervöser ist man vor einer Bewertung, wenn zum ersten Mal der Text oder das Bild von anderen Kunstschaffenden besprochen wird. „Sich diesem Austausch zu stellen, gehört zum kreativen Prozess dazu“, sagt Birgit Heid, erste Vorsitzende des Literarischen Vereins der Pfalz. Die Textbesprechung ist einer der Schwerpunkte des Vereins. Die Mitglieder treffen sich dafür regelmäßig, da „im persönlichen Miteinander sensibler auf die Autorinnen und Autoren eingegangen werden kann“. Die Landauerin Birgit Heid begann 2001 mit dem Schreiben und stieß 2013 zum Literarischen Verein. Er wurde 1878 als „Verein pfälzischer Schriftsteller, Künstler und Freunde von Kunst und Wissenschaft“ in Neustadt gegründet und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.

Wegzug von Literaten

Autorin und 1. Vorsitzende des literarischen Vereins der Pfalz. Foto: Privat

Heute gibt es Sektionen in Landau, Kaiserslautern und Speyer. „Wir nehmen jeden auf. Ganz gleich, auf welchem Niveau er schreibt. Der Verein möchte die vielseitige Literatur in der Pfalz fördern und pflegen“, betont Heid. „Je länger eine Gruppe besteht, desto besser wird das Niveau.“ In der Pfalz gebe es weitere Literatenzusammenschlüsse wie die Autorengruppe Zweibrücken oder die Literaturgruppe Wachtenburg-Donnersberg. Daneben gebe es eine ganze Reihe Pfälzer Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die im „Brot-und-Butter-Genre“, dem Krimi, zu Hause sind und leichte Unterhaltungsgeschichten schreiben. „Die Pfalz hatte historisch betrachtet nicht die Möglichkeit, eine richtige literarische Hochburg zu werden“, schildert Birgit Heid. „Das Leben hier war lange geprägt von Kriegen, Besatzungen, Armut und Auswanderungswellen. Das alles hat nicht zu ruhigeren Fahrwassern beigetragen, um sich eingehend und kreativ mit den Fragen des Lebens zu beschäftigen.“ Michael Landgraf ergänzt, dass die Pfalz bis heute einen „Provinzialität-Touch“ habe und viele Pfälzer Literaten daher in größere Städte, allen voran nach Berlin, wegziehen.

Lesen ist Genuss

Wenn man sich wie wir auf eine literarische Reise durch die Pfalz begibt, findet man dennoch für jeden Geschmack eine „Einkehrmöglichkeit“. Es gibt nicht allzu viele, aber es gibt sie, die literarischen Sternerestaurants. Die Wahl-Pfälzer Rafik Shami oder Guido Dickmann bereiten beispielsweise erstklassige Romane zu. Pfälzer Urgesteine wie Wolfgang Diehl, der 2023 den Lebenswerkpreis für Literatur des Bezirksverbands Pfalz erhielt, kocht mit viel Liebe und Scharfsinn überaus schmackhafte, regionale „Buchstabeneintöpfe“. Mundart-Autoren wie Norbert Schneider servieren „Typisch Pfalz“ und Krimi-Autoren wie Harald Schneider oder Gina Greifenstein reichen Pfälzer Häppchen für Zwischendurch. Es entsteht ein reichhaltiges Menü, das so variantenreich wie der Literatur-Begriff selbst ist.

Pfälzer Literaturfeste

Das Schreiben wird in der Pfalz gefördert und gefeiert: bei der literarischen Reihe „Speyer.Lit – Lesung. Performance. Livemusik“, bei den Landauer Büchereitagen, beim Literaturfestival in Kaiserslautern, bei den Donnersberger Literaturtagen oder beim Burgund-Literatur-Stipendium im Künstlerhaus Edenkoben. Seit 1978 gibt es außerdem in Deidesheim die Turmschreiberei. Die „Stiftung zur Förderung der Literatur in der Pfalz“ fördert Autorinnen und Autoren, die vier Wochen in Deidesheim wohnen, „pfalzbezogen“ arbeiten und das Ergebnis publizieren. Durch diese Events und Förderungen wird das Bild der Pfalz literarisch weiter fortgeschrieben. Sie sind eine Bereicherung für das kulturelle Leben der Region.

ORT DER BEGEGNUNG Das Freinsheimer Backhaus war beim literarischen Spaziergang 2023 in mehrfacher Hinsicht ein Ort, an dem sich Menschen und Geschichten begegneten. Foto: Kathrin Engeroff

Unterwegs in den Gassen

Die Tulpen blühen gelb und rosa im Retzerpark. Die Amsel singt vom Giebel laut ihr Lied, Meisen zwitschern dazwischen. Es ist ein milder Frühlingsabend im Mai – wie er im Buche steht. An der alten Sandsteinmauer im Schatten der austreibenden Bäume begegnen sich zwei Dutzend Literaturfreunde. Manche das erste Mal, manche sind seit Jahrzenten Weggefährten. Gemeinsam gehen sie nun durch die historischen Gassen Freinsheims. Die Orte, die sie besuchen werden, sind Ausgangspunkte für noch tiefer gehende Begegnungen. Die Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Waltraud Amberger nimmt mich 2023 während der Freinsheimer Lese mit auf diesen literarischen Spaziergang.

Begegnungen in der Literatur

„In der Literatur eröffnet sich uns ein Geflecht an Begegnungen: mit uns selbst, mit den Figuren, mit den Autorinnen und Autoren, mit Orten und Zeiten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geben sich dort die Hand“, sagt Waltraud Amberger. Um den Bogen zur realen Welt zu spannen, machen wir auf der Runde bewusst Station an Begegnungsorten wie der protestantischen Kirche, der ehemaligen Synagoge oder am Backhaus an der Stadtmauer. Wir suchen Antworten auf die Frage: Was macht eine Begegnung zu einer Begegnung? Wir treffen auf fiktive Romanfiguren, Geschichten, Poesie und Prosa aus zwei Jahrhunderten. Waltraud Amberger trägt Texte, Ideen und Gedanken vor oder lässt eigens eingespielte Aufnahmen für sie sprechen. Hilde Domin kommt zu Wort, Christa Wolf und Jean Paul Sartre, Stanislaw Lec, Herta Müller und natürlich Hermann Sinsheimer.

Weltoffenes Kulturprogramm

Durch den gebürtigen Freinsheimer Hermann Sinsheimer ist der Weinort in der literarischen Welt bekannt. Der Jurist, Journalist, Theaterkritiker und Schriftsteller musste wegen seiner jüdischen Herkunft aus Nazideutschland fliehen. „Zu seinen Ehren verleiht die Stadt Freinsheim seit 1983 den Hermann-Sinsheimer-Preis für Literatur und Publizistik und die gleichnamige-Plakette im Wechsel. Dieser Kontext spielt bei der literarischen Lese stets eine besondere Rolle“, heißt es im Veranstaltungskonzept. „Hermann Sinsheimers Werken und seine anspruchsvollen Texte prägen die Freinsheimer Lese noch immer“, sagt Mitorganisatorin Waltraud Amberger. Die Veranstaltungsreihe verbinde heute darüber hinaus Literatur mit Film, Bildender Kunst und Musik, sodass ein zeitgenössisches, fröhliches und weltoffenes Kulturprogramm entstehe. Passend zur Fortentwicklung der literarischen Landschaft (der Pfalz) lautet das diesjährige Motto der Literarischen Lese „Bewegungen“.

Warum lesen wir?

Immer wenn sich die Gruppe an jenem Abend im Mai wieder in Bewegung setzt und sich aufmacht zur nächsten unerwarteten Begegnung, fühle ich mich, als würde ich zum ersten Mal durch Freinsheim ziehen. Dabei ging ich die Straße in etlichen Mittagspausen oder bei sämtlichen Festen oft auf und ab. Doch nun sind sie eingebettet wie eine Brücke in verschiedene Gedankenwelten. Ich merke, wie viele der Teilnehmenden sich wie ich eine Zeitlang darin verlieren und die gehörten Worte nachklingen lassen. Waltraud Amberger stellt während des Spaziergangs auch die Frage: „Warum lesen wir?“ Eine Antwort darauf: „Wir suchen die Begegnung mit dem Unbekannten, mit den anderen. In Büchern begegnen wir uns an Orten, an denen wir nie waren. Literatur verbindet Orte mit Geschichten.“

Foto: Pricilla du Preez/Unsplash

In der Pfalz sein

In dieser Titelgeschichte sind Sie mir und meinen Gedanken an literarische Orte der Pfalz gefolgt, haben Pfälzer Autoren und ihr Bild der Pfalz aus dem 19. Jahrhundert kennengelernt, haben einen Eindruck von der zeitgenössischen Literaturlandschaft bekommen. Bei weitem haben wir nicht alle Ecken erkundet. Doch unsere literarische Reise muss an dieser Stelle nicht enden. Denn in der Welt der Bücher finden wir nicht nur Geschichten, sondern auch Erkenntnis, Inspiration, Trost und die Essenz dessen, was es bedeutet, Mensch – und in der Pfalz – zu sein.

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