
Autor und Koch Dieter Luther, der 30 Jahre lang einen Michelin-Stern hatte, tischte darin unverblümt seine Gedanken rund um Genuss und die Gastroszene auf. Herzlichen Dank für den sehr persönlichen Blick hinter die Kulissen und die vielen Thesen, die zum Überdenken des eigenen Konsumverhaltens angeregt haben!
Die Ausgabe 2/2023 ist das erste Magazin ohne seine Kolumne, weil er mit nun 70 Jahren gerne „den Schreibstift“ weiterreichen möchte. Wir freuen uns, dass diesen die frühere Deutsche und Pfälzische Weinkönigin Janina Huber übernimmt. „Pfälzer Perspektiven“ heißt ihre neue Kolumne. Natürlich mit Betrachtungen rund um Genuss in der Pfalz. Zum Auftakt stellt sie sich die Frage, ob es genügend Platz für Genuss im täglichen Trott gibt.
Die Kolumne gibt es exklusiv nur im Print-Magazin zu lesen.

Der Autor von Luthers Thesen
Dieter Luther hatte 30 Jahre – von 1983 bis 2013 – einen Michelin-Stern mit seinen Restaurants „Krone“ (Münchweiler/Rodalb) und „Luther“ (Freinsheim). Der gelernte Koch und Konditor, geboren 1953, absolvierte zahlreiche Stationen im In- und Ausland, so etwa im damals legendären Restaurant „Walterspiel“ in München. Luther ist verheiratet, hat zwei Kinder und genießt seinen Ruhestand in Kapellen-Drusweiler in der Südpfalz.
Geht aufeinander zu!
Februar/März 2023
Wenn man aktuellen Studien Glauben schenken darf, sind Restaurantbesuche weiterhin rückläufig. Die Corona-Pandemie habe diese Entwicklung nicht ausgelöst, aber beschleunigt, schreiben die Studienautoren. „Jammern gehört zum Handwerk“, sagt man ja gerne und bestimmt gilt dieser Satz auch oder besonders für die Gastronomie. Aber eines ist nicht von der Hand zu weisen: Es hat ein gastronomischer Wandel eingesetzt. Dazu habe ich eine Meinung, denn selbstverständlich bin ich bei meiner Vergangenheit ein großer Freund der Gastronomie – solange sie gut, solide und seriös arbeitet, versteht sich.
Unzufriedenheit bei Gästen
Gastronomen sollten es mit dem Jammern nicht übertreiben und alles mit den Zeiten entschuldigen, in denen wir leben. Seit vergangenem Jahr, als Corona-Restriktionen peu à peu zurückgenommen wurden und die Pandemie nicht mehr als Grund für Schwächen und Probleme in der Gastronomie ausreichte, halten der Ukrainekrieg und die Energiewende als Entschuldigung her. Das ist bis zu einem gewissen Maße legitim. Doch es leidet eben auch der Gast, wenn das Niveau durch fehlende Mitarbeiter in der Küche und im Service sinkt. Das verursacht eine Unzufriedenheit, die dazu führt, dass man es sich zweimal überlegt, ob man schon wieder essen geht.
Sparmaßnahmen mit Floskeln entschuldigt
Zudem dürfen wir nicht vergessen: Nicht jedes Lorbeerblatt ist teurer geworden, beim Schinken herrscht noch immer eine Überproduktion und wenn Reh aus dem heimischen Forst gleich ein Drittel mehr kosten soll, hört sich das wie Jägerlatein an. Zudem werden alle möglichen Sparmaßnahmen mit der Floskel entschuldigt, die früher schon neben dem Handtuchhalter zu lesen war: „Danke, dass Sie mithelfen, das Klima und unsere Umwelt zu schützen.“ Mache ich ja gern. Aber es darf nicht alles auf den Schultern der Gäste ausgetragen werden.
Undurchsichtige Preiskalkulation
Dennoch wird in vielen Restaurants nur noch ein Menü angeboten. Ohne eine zumindest kleine à-la-carte-Alternative empfinde ich da einen gewissen Zwang. Darüber hinaus kann ich heute längst nicht mehr jede Preiskalkulation nachvollziehen: Was vor zehn Jahren noch als günstiger Konsumfisch verkauft wurde, ist heute plötzlich ein Edelfisch. Ein ähnliches Bild auf den Weinkarten: Viele Läden weisen ihre Flaschen erst ab der 50-Euro-Grenze aus. Genussvolles Trinken hat auch schon mal mehr Spaß gemacht.
Es ist ein Geben und Nehmen
Wünschenswert wäre daher wie so oft ein Mittelweg. Kein Gastgeber sollte sich unter Wert verkaufen, kein Gastgeber sollte aber eben auch nur seine Bedürfnisse sehen. In der Gastronomie war es immer schon ein Geben und Nehmen. Doch wenn es keine zahlungswilligen und zahlungskräftigen Gäste mehr gibt, gibt es bald auch keine funktionierende Gastronomie mehr.
Karpfen statt Hummer
Dezember 2022/Januar 2023
Liebe Leserinnen und Leser, mögen Sie Ihren Hummer lieber rot oder blau? Eine provokante Frage, besonders diesen Winter. Dennoch gehe ich fest davon aus, dass wir uns auch von Energiekrise und Preisexplosionen nicht die Lust am edlen Krustenwesen verderben lassen. Die bevorstehenden Feiertage werden wieder von Hummer-Gerichten geprägt sein – von der Suppe bis zum ganzen Tier –, da wette ich um eine gute Flasche Knipser-Wein.
Hummer ein kostspieliges Weihnachtsgeschenk
Ich möchte hier gar nicht zum mönchischen Verzicht aufrufen. Ich plädiere nur für ein wenig mehr Hintergrundwissen, bevor man sich ein derart kostspieliges Weihnachtsgeschenk macht. Dazu eine kleine Hummerkunde: Der rote Hummer stammt aus Kanada oder von der Ostküste der Vereinigten Staaten. Sein Cousin, der blaue bretonische Hummer, ist vom Polarkreis über England bis an Marokkos Küsten zu Hause. Sein Fleisch ist fester und gilt als wesentlich wohlschmeckender. Kundige Krustentierkenner behaupten sogar, der bretonische Hummer schmecke im Vergleich zu seinem kanadischen Artgenossen genauso unterschiedlich wie ein wildlebender Fasan und ein Geflügel aus dem Supermarkt.
Hummer lebendig kaufen
Folglich sind die Bretonen wesentlich teurer als die „Roten“ aus Übersee und laufen erst beim Grillen oder Pochieren rot an. Für beide Genossen gilt: Hummer sollten unbedingt lebendig gekauft werden – und am besten nur aus freiem Wildfang. Kommt er aus Vorhaltebecken, bildet sich sein Fleisch zurück, verliert an Aroma und nimmt eine baumwollartige Konsistenz an. Von der Ethik mal ganz zu schweigen. Und von tiefgefrorenen Hummern, wie man sie jetzt wieder in den Discountern erhält, fange ich jetzt mal gar nicht an. Mein Verleger würde andernfalls einige Worte streichen müssen.
Im Sommer Hummerqualität besser
Kommen wir zum Kochen. Das birgt so manche Tücke, denn wie erwähnt: Hummer kauft man lebend. Wer Gewissensbisse hat, seinen Hummer lebendig zu kochen, kann ihn vorher einige Stunden im Kühlschrank ruhen lassen. Danach ist er benommen und befindet sich wie im Tiefschlaf. Dennoch mein Rat: Im Sommer ist die Hummerqualität am höchsten, weshalb er eigentlich nicht an Weihnachten aufgetischt werden sollte.
Karpfen hat Saison
Wer zum Fest aber trotzdem etwas „Blaues“ und Besonderes möchte, der kann doch einfach mal einen Karpfen servieren. Dieser hat kurze Anfahrtswege, ist also deutlich regionaler als jeder Hummer, und jetzt im Dezember sogar Saison. Profitipp: Falls wir es beim Karpfen mit einem großen Exemplar namens Ferdinand zu tun haben und wir es wie im gleichnamigen Film nicht fertigbringen, ihn zu verspeisen, dann kann es auch einfach mal ein Käsefondue geben. Schmeckt immer und erspart jede Menge Arbeit in der Küche.
Nicht in die Irre führen lassen
Oktober/November 2022
Viele sind bei der Zeitumstellung im Oktober noch immer verunsichert: Eine Stunde mehr oder eine Stunde weniger Schlaf? Während sich hier die Entscheidung immerhin nur auf zwei Optionen beschränkt, sind die Möglichkeiten an anderer Stelle schier unbegrenzt. Zum Beispiel bei der Interpretation von Lebensmittelverpackungen, wo es bei den Etiketten und Aufklebern bunt zugeht. Kunterbunt. Da tummeln sich neben gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnungen und freiwilligen Angaben der Hersteller eine Vielzahl an Siegeln, Herkunftszeichen und Symbolen. Sie rufen bei den Konsumenten eine Qualitätserwartung hervor, die in den seltensten Fällen erfüllt wird. Der einzige Zweck ist, Kunden durch die optische Aufladung zum Kauf zu animieren.
Siegel- und Zeichen-Wirrwarr
Die Kunden stoßen auf einen Bilderwald, der fast nicht mehr zu verstehen ist. Noch weniger ist es möglich, die Siegel und Zeichen richtig einzuordnen. Der Ursprungsgedanke war doch, für eine informierte Kaufentscheidung zu sorgen, oder? Es sollte um Verständlichkeit gehen, um fundierte und nachprüfbare Kriterien sowie Qualitätsstandards. Nun soll man ungefähr 20 wichtige Logos (neben einer Vielzahl von Nonsens) im Hinterkopf haben. Die Folge ist Überforderung.
EU-Gütesiegel besonders wichtig
Mein Rat: Bei Produkten, die aus dem globalen Süden kommen, wie Kaffee oder Kakao, sollte man darauf achten, dass sowohl ein Bio-Siegel als auch ein Gütezeichen für den fairen Handel auf dem Produkt zu finden sind. Für einen möglichst nachhaltigen Einkauf empfiehlt es sich zudem, auf Saisonalität, Regionalität und geringes oder umweltfreundliches Verpackungsmaterial zu achten. Aber die Gretchenfrage ist: Welche Siegel sind die guten? Es gibt allein zig Label für biologischen Anbau. Die Richtlinien dahinter unterscheiden sich zum Teil sehr stark. Da ich mich als Genussmensch bezeichne, sind für mich persönlich die EU-Gütesiegel g.U./g.t.S./g.g.A. besonders wichtig – von der traditionellen Zusammensetzung des Produktes bis zur geschützten Ursprungsbezeichnung und geographischen Angabe.
Essen ist kompliziert geworden
Beispiel: Ein Prosciutto di Parma kann eben nur von dort kommen. Aus Parma. Und eben nicht aus San Daniele. Letzterer kann ja auch ein guter Schinken sein, ist dann aber eben kein Parmaschinken. Siegel bewahren auch nicht vor Reinfällen: Kürzlich war ich in einem französischem Einkaufsmarkt bei uns in Grenznähe. Im Angebot waren sage und schreibe neun (!) Sorten Surimi. Doch wer braucht auch nur einen dieser künstlich aromatisierten und in Form gepressten Fischbreie? Haben wir das Essen verlernt? Nein. Es ist nur schrecklich kompliziert geworden. Deshalb: Nicht in die Irre führen lassen und mit gesundem Menschenverstand auf dem Markt, auf Reisen oder bei einem kleinen Versandhandel für Feinschmecker auf kulinarische Entdeckungstour gehen.
Ölsardinen sind ein Hochgenuss!
August/September 2022
Vom schnöden Dosenfisch am Arbeitsplatz direkt auf die Speisekarte der Spitzenrestaurants: Kaum jemand hat in den vergangenen Jahren einen derart steilen Aufstieg hingelegt wie die profane Sardine. Viele mögen denken, dass es diesen mit dem Hering verwandten Fisch wahrscheinlich nur in dieser versiegelten Dose gibt, aber das ist in der Tat ein kulinarisches Versäumnis. Dank einer guten Bewirtschaftung der Fischbestände sind in Portugal, speziell an der Algarve, noch immer reichlich frische Sardinen vorhanden.
Köpfe zählen am Strand
Einen der schönsten Anblicke für mich persönlich gab es früher in Portimão – und zwar unter der alten Brücke. Die Fische wurden neben einer Reihe sehr einfacher, aber hervorragender Restaurants, die ausschließlich Sardinen verkauften, angelandet. Die Fischer warfen sie aus den Booten und legten sie direkt auf den Holzkohlegrill. Man genoss die Sardinen, bis man satt war, dann wurden die Köpfe gezählt und auf diese Weise der Verzehr in Rechnung gestellt. Leider führte der Fortschritt dazu, dass diese Restaurants am Hafen längst geschlossen wurden.
Sardinen und hausgemachtes Brot
Sie wurden an einen neuen, modernisierten Standort verlegt, der auch den Gesundheitsinspektoren gerecht wurde. Ein wenig sauberer vielleicht, das schon. Doch das Flair, das blieb leider auf der Strecke. Die wohl klassischste Art, Sardinen zu genießen, ist es, sie auf eine Scheibe hausgemachtes Brot zu legen und von dort zu verspeisen. So können das Öl, das Salz und die Säfte besonders gut einziehen und das Brot wird zu einer zusätzlichen Delikatesse. Einfach auf den Holzkohlegrill legen und ein paar Mal umdrehen. So braucht man keine Teller, kein Besteck oder Ähnliches – und den Abwasch hat man sich auch gespart!
Ölsardinen annehmbare Alternative
Leider ist das Angebot an wirklich frischen Sardinen bei uns praktisch nicht existent. Aber immerhin: Für die eisernen Verfechter von Omega-3-Fettsäuren, hochwertigem Eiweiß, vielen Vitaminen und Spurenelementen ist die Konserve eine mehr als annehmbare Alternative. Heute wird hauptsächlich im Norden Portugals produziert – und das längst nicht mehr nur für Supermärkte: Viele Restaurants bei uns haben in jüngster Zeit das Kulturgut Sardine in der Dose wiederentdeckt, in manchen Städten gibt es Läden, die ausschließlich Ölsardinen verkaufen. Und auch wenn wir nicht in Portimão sind: Eine Jahrgangssardine mit einem Olio extra vergine di Oliva ist ein Hochgenuss, der uns im Spätsommer ein wenig länger von der Sonne Portugals träumen lässt.
Die Weinstube ist ein Spa-Bereich!
Juni/Juli 2022
Umtriebige Nostalgiker in unserem Bekanntenkreis wie auch meine Wenigkeit stellen in jüngerer Vergangenheit immer öfter und zu unserem großen Bedauern fest, dass sie weniger werden. Die Rede ist von einem der Pfälzer Kulturgüter schlechthin: der traditionellen Weinstube, heimeliger Anlaufpunkt für geselliges Aufeinandertreffen und gemütliche Abende. Ganz gleich, ob es aktuelle Themen sind, die auf die Leber drücken und diskutiert werden müssen, oder nur ein wenig Plauderei: Die Weinstube ist der Spa-Bereich eines Pfälzers.
Un-Informiertheit in den Gasthäusern
Dazu gehört natürlich auch die Symbiose aus Essen und Trinken. Leider wird die altehrwürdige regionale Küche immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Zeit und Mitarbeiter, um diese Produkte selbst herzustellen, haben nur noch wenige. Stattdessen greift man zum Saumagen etablierter Hersteller und trägt damit immer weiter zur Un-Informiertheit in den Gasthäusern bei. Und: Muss ein gutes Stück Rindfleisch für das Winzersteak aus Argentinien oder Uruguay aufwendig zu uns verschifft werden? Nicht erst seit gestern gibt es hier eine hervorragende Auswahl von regionalen Erzeugern.
Der Wirt kommt an den Tisch
Eine gute Weinstube, das weiß der kundige Gast, steht und fällt mit dem Wirt. Um hier zu einem echten Pfälzer Original zu werden, muss man sich etwas trauen, schon klar. Aber das ist (auch aus verständlichen Gründen) in diesen Zeiten immer seltener zu finden. Gerne erinnere ich mich an meine Lieblingsweinwirtschaft des unvergessenen Walter Henninger in Kallstadt. Was gab es Schöneres, als an einem Sonntagmittag die frisch gewienerte Stube zu betreten und hinter dem grünen Kachelofen Platz zu nehmen. Zu schwelgen in den Klassikern wie getrocknete Bratwurst, angemachtes Schweinefüllsel oder die schlichtweg legendäre Kalbshaxe mit lauwarmem Kartoffelsalat. Wenn dann der Wirt zur Begrüßung noch an den Tisch kam, Erkennungszeichen die Brille auf der Nasenspitze, war das kleine Pfalzglück doch vollkommen. Weinkultur wurde hier hochgehalten ohne zu eskalieren, wie man es heute vielerorts beobachten kann.
Schwelgen in Vergangenheit
Nichts gegen schicke, minimalistische, zeitgeistige Vinotheken, die auf oder unter die Weinberge gebaut werden. Nichts gegen die offensichtlich gefragten Offerten, angefangen bei Vitello Tonnato über Carpaccio in jeglicher Form bis zur obligatorischen Zuchtdorade. Es wäre aber doch einfach nur schade, wenn die urwüchsige Weinstube vollkommen verdrängt würde. Schon klar, alles hat seine Zeit, und gewiss ist Neues nicht automatisch schlecht: Ein wenig Schwelgen im Vergangenen ist aber doch hoffentlich gestattet.
Stoppt endlich den Billigfleischkonsum!
April/Mai 2022
Manchmal redet man einfach gegen eine Wand. Man redet und redet und doch passiert ... nichts. Es ist Frühling 2022 und noch immer liegt Billigfleisch in riesigen Mengen in den Supermarktregalen. Weder Politik noch Industrie, so scheint es, fühlen sich hier zu schnellem Handeln verpflichtet. Dabei tauchen immer wieder geschmacklose neue Enthüllungen auf, die uns die Lust auf ein gutes Stück Fleisch eigentlich gründlich verderben sollten. Wie diese hier: Was zum Beispiel hat ein süßes Islandpony mit einer Schweinekeule zu tun? Im ersten Moment gibt es da keine Gemeinsamkeiten – bis man sich näher mit der Materie beschäftigt. Derzeit werden etwa 5500 Islandpferdestuten auf über 100 speziellen Farmen unter unwürdigsten Bedingungen gehalten. Den Haltern geht es dabei nicht um ihr Fleisch, sondern um ihr Blut.
Pferdestuten leiden für die Massenschweinezucht
Vorsicht, jetzt wird’s unappetitlich: Die Stuten auf den isländischen Farmen werden so oft wie möglich befruchtet. Pro Woche werden jedem einzelnen Tier etwa fünf Liter Blut abgenommen, um daraus das Sexualhormon PMSG zu gewinnen. Dieser Stoff, den eben nur trächtige Stuten in sich tragen, wird an die internationale Pharma- und Fleischindustrie verkauft. Unter anderem wird er in der Schweinemast eingesetzt, um kostengünstiger zu produzieren. Die Art und Weise, wie diese Pferde gehalten und behandelt werden, ist lebensverachtend: Die Fohlen gelten als Nebenprodukt, werden als billiges Pferdefleisch vor allem nach Deutschland exportiert, wo es zu Katzen- und Hundefutter verarbeitet wird.
Fleisch wird ein paar Cent billiger
Mit Stutenblut wird dann unter anderem hierzulande die Schweineproduktion industriell getaktet: Durch das Hormon PMSG werden alle Sauen im Stall zur gleichen Zeit empfängnisbereit und können simultan befruchtet werden. Dadurch kommen die Ferkel zum gewünschten Tag zur Welt und werden alle am gleichen Tag auf LKWs geladen und zum Schweinemäster transportiert. Diese Taktung macht das Fleisch am Ende im Supermarkt ein paar Cent billiger. Ein paar Cent!
Was jeder Verbreucher tun kann
Die grausame Ausbeutung von Stuten auf sogenannten Blutfarmen ist nicht neu. Vor einigen Jahren haben sie Tierschützer bereits in Südamerika aufgedeckt, woraufhin sich Pharmaunternehmen dort zurückgezogen haben. In Island soll die Produktion dagegen um ein Vielfaches gesteigert werden. Was man tun kann? Es würde schon reichen, die regionale Landwirtschaft zu unterstützen und auf Betriebe zu setzen, die sich dem Tierwohl und Tierschutz verschrieben haben. Sonst bleibt uns bei all dem Gieren nach Billigem vielleicht ja doch irgendwann mal das Schnitzel im Halse stecken.
Bitte nicht unterbuttern lassen!
Februar/März 2022
Schon der große französische Koch Fernand Point tat den Ausspruch: „Gebt mir Butter, immer Butter.“ Beim Wegbereiter der Nouvelle Cuisine, Paul Bocuse, fiel das auf fruchtbaren Boden. Er war Points Schüler, was blieb ihm auch anderes übrig? Und jetzt kommt meine Wenigkeit ins Spiel. Ich liebe Butter! Diese Verbindung von Fett und Wasser ergibt einen einzigartigen Geschmack und wunderbaren Schmelz am Gaumen.
72 Stunden Herstellungszeit
Wir reden hier natürlich nicht von Industriebutter, Point bewahre, sondern von einem Produkt, wie es nur ein Affineur herstellen kann. 22 Liter Milch benötigt man zur Herstellung von einem Kilo Butter. Ausgesuchtes Futter für die Milchkühe (Silage ist tabu) und viel Zeit zur Verarbeitung der Milch sind die Eckpfeiler des Produkts. Rund 72 Stunden braucht die Butter, bis sie fertig ist – im Vergleich zu schmalen sechs Stunden, nach denen die Industriebutter regalfertig hergestellt ist.
Streichfähigkeit ist kein Qualitätsmerkmal
Die Hauptanforderungen der meisten Butterkonsumenten scheinen sich meist nur in zwei Kriterien zu erschöpfen: Sie soll günstig und streichfähig sein. Beides widerspricht paradoxerweise der tatsächlichen Butterqualität. Industriell erzeugte Massenware mag analytisch gesehen zwar den Anforderungen genügen; Terroir oder wahrer regionaler Charakter sind dabei nicht zu erwarten.
Frische Buter kühl genießen
Auch der weitverbreitete Irrglauben, Butter bei Zimmertemperatur zu servieren, um Streichfähigkeit zu garantieren, ist nicht richtig. Frische Butter sollte kühl genossen werden, um auf ihren einzigartigen Geschmack zu kommen. Doch gute Butterqualität muss man suchen. Eine zuverlässige Butterquelle ist in Deutschland noch immer schwer zu finden. In Frankreich dagegen nicht: Wer gute Butter will, der muss in den Westen Frankreichs, genauer gesagt in das Département Deux-Sèvres – ein ausgewiesenes Butterparadies. Hier gibt es sie noch, die artisanalen Hersteller dieses verehrten Produktes.
Butter ist nicht gefährlich
Da steht Butter noch nicht in dem Ruf, dick zu machen und Krankheiten zu fördern. Es stimmt zwar: Öl ist weniger fettig als Butter, aber diese handwerklich erzeugte Butter ist ein vollkommenes, reines Lebensmittel. Es enthält Vitamin A, B und D. Unter anderem. Butter an sich ist also nicht gefährlich oder schlecht, wenn man maßvoll mit ihr umgeht und sie mit Verstand isst – ganz gleich, ob normal, gesalzen oder wenig gesalzen. Aber das sollte ja eh für alle Genussmittel gelten. Und für mich rangiert die Butter da klar in den oberen Reihen. Ich sage es daher frei nach Loriot: Ein Leben ohne Butter ist möglich, aber sinnlos.