Statement ade!
Des is net nur e Woibeschdellung, des is e Schdäädmend!“ Die unüberhörbare Verlautbarung des jungen Mannes am Nebentisch offenbart zumindest ein Stück weit, was Wein im frühen dritten Jahrtausend wirklich ist: mega-hip und extrem angesagt – ein Statussymbol, aber kein Getränk, das man sich einfach mal so einverleibt, nur weil man gerade Lust darauf hat. Je nach Ort des Geschehens ist das Ordern von Wein ein persönliches Bekenntnis und der Hinweis auf gehobene Gesellschaftstauglichkeit in einem. Ein Statement eben. Schon deshalb versucht der dialekttaugliche Nebentischler, unüberhörbar seine analytischen Fähigkeiten zu offenbaren. Respekt vor seinem Mut, das Übel lautstark an der Wurzel zu packen und vor Missverständnissen nicht zurückzuschrecken! Denn ausgerechnet wegen Typen wie ihm will der Weinkonsum im Pro-Kopf-Deutschland einfach nicht kontinuierlich weiterwachsen.

Trotz oder wegen Pandemie, Inflation und Krisen aller Art konsumiert der Durchschnittsdeutsche beiderlei Geschlechts gerade mal 20,7 Liter pro Jahr. Es will und will nicht mehr werden. Damit kommen wir gerade mal auf Platz acht im europäischen Vergleich. Der Portugiese als solcher hingegen trinkt pro Jahr mehr als 50 Liter vergorenen Rebensaft und ist damit sogar weltweit Tabellenführer. Wie soll unser Heimatland da seiner europäischen Führungsrolle jemals gerecht werden? Und droht sogar der Weinpfälzer Wirtschaftsentwicklung die Stagnation oder gar die Rezession? Ist es nicht Warnung genug, dass trotz des inflationären Craftbeer-Hypes der Bierverbrauch in Deutschland seit Jahren immer weiter zurückgeht?
Durch schieres Nachdenken und ohne mein Smartphone oder die Demoskopie zu bemühen, habe ich die Lösung gefunden: Macht das Weintrinken wieder einfacher! Und das Weinbestellen im Restaurant auch! Dreht den Spieß um und weist überqualifizierte Sommelierende in die Schranken, wenn diese akustisch das Lokal fluten mit Skalen von mineralischen Zwischentönen, Terroir prägenden Hangneigungen, gezügelten Gärungen und ganzen Breitseiten von önologischen Fachbegriffen! Oder mit weitschweifigen, emotionsgeladenen Schwadronaden über den roséfarbenen Duft im Windschatten von just aufblühenden Kirschbäumen zwischen Lambsheim und Großkarlbach.
Denkt nicht zu lange nach über die schleichende Harmonie der japanoiden Neupfälzer Trendküche mit der klandestinen Reife eines 1998er Rieslings aus dem Forster Kirchenstück! Lasst Euch nicht unterdrücken von kiloschweren Weinkarten mit 300 verschiedenen Gewächsen und High-End-Positionen zu Preisen eines mittelgroßen Kleinwagens!
Denkt stattdessen an den kategorischen Imperativ der pfalzgerechten Mindestbestellpflicht: Vermeidet Zehntel, wenn es auch Viertel gibt! Bestellt lieber gleich eine ganze Flasche als sieben Achtel, wenn ihr zu neunt am (Stamm-)Tisch sitzt! Und ordert Schorle gefälligst schoppenweise!
Und vor allem: Der Kenner genießt und schweigt. Also gebt keine Statements ab, wenn ihr schon keine Ahnung habt!
Es grüßt Sie herzlich Ihr VielPfälzer